Welche Chancen und welche Risiken verbergen sich hinter Forschungsergebnissen und neuen Technologien? Was wollen wir als Gesellschaft verantworten? Darüber müssen wir sprechen. Die ELSA-Forschung schafft Grundlagen und stößt diesen Dialog an.
Wir können das Erbgut gezielt ändern, ohne Spuren zu hinterlassen. Neueste Untersuchungsmethoden ermöglichen die Diagnose einzelner Erkrankungen lange bevor erste Krankheitszeichen auftreten. Ferngesteuerte Roboter und Computer assistieren in den Operationssälen. Für Paare mit einem unerfüllten Kinderwunsch gibt es vielfältige Möglichkeiten dennoch eine Familie zu planen. Diese Beispiele zeigen: In der Gesundheitsforschung wird immer mehr möglich. Und die neuen Methoden und Technologien werden uns zukünftig tagtäglich begegnen und herausfordern. Für jeden von uns stellen sich dabei Fragen, die diskutiert und beantwortet werden müssen: Wie „künstlich“ darf für uns beispielsweise eine künstliche Befruchtung sein? Oder: Was bedeutet es für mich, wenn ich in einigen Jahren mit bis zu 30% iger Wahrscheinlichkeit erkranken kann?
Gesellschaftlicher Diskurs
Die Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ermöglicht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Erforschung von ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten in den Lebenswissenschaften. Der Name leitet sich aus den englischen Wörtern „ethical“, „legal“ und „social aspects“ ab. Ihr Ziel ist es, wissenschaftlich basierte Aussagen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der modernen Lebenswissenschaften zu erlauben. Sie umfasst verschiedene Themen wie beispielsweise die Stammzellforschung, die Digitalisierung, die Gentechnologie oder auch die Neurotechnologie.
All diese Fragen müssen diskutiert werden – und zwar nicht nur unter Fachleuten, sondern gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern und den beteiligten Akteuren. Ein erster Schritt ist die Information und Wissensvermittlung. Denn nur wer weiß, was hinter einer neuen Behandlungsmethode steht und wie sie funktioniert, kann für sich entscheiden, ob er oder sie offen ist für diese neue Entwicklung. Für die Diskussion ist es wichtig, die ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekte in den Lebenswissenschaften zu erforschen und eine sachlich fundierte Grundlage für die Diskussion zu schaffen. Die Forschungsrichtung, die sich mit diesen Fragen beschäftigt, zeichnet sich durch eine fachübergreifende Zusammenarbeit aus: Expertinnen und Experten aus der Philosophie, Soziologie, den Rechtswissenschaften, der Medizin und den Naturwissenschaften tauschen sich zu den relevanten Fragestellungen aus.
ELSA-Forschung in der COVID-19-Pandemie
Die Corona-Pandemie stellt Staaten und Gesellschaften weltweit vor nie gekannte Herausforderungen. Neben der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten fördert das BMBF deshalb auch die Forschung zu ethischen, rechtlichen und sozio-ökonomischen Auswirkungen der Pandemie. So wurden ELSA-Forschende aufgefordert, die Auswirkungen der Pandemie und der damit einhergehenden Einschränkungen und Auflagen auf die Gesellschaft wissenschaftlich zu untersuchen: Sind die erlassenen Maßnahmen und Verordnungen verhältnismäßig und gerechtfertigt oder stellen sie einen Eingriff in die Grundrechte dar? Vor welchen Herausforderungen stehen die ambulante Versorgung, vor welchen die Kliniken und Pflegeeinrichtungen? Auf welche Weise gelingt Information und Wissensvermittlung? Wie kann solidarisches Verhalten in der Zivilgesellschaft gestärkt werden?
Ziel ist es, Lösungskonzepte für den Umgang mit der Pandemie auf der Grundsatz- und/oder der Handlungsebene für Politik und Gesellschaft aufzuzeigen. Die Ergebnisse der Forschungsprojekte fließen in Stellungnahmen und Leitlinien ein. Sie tragen dazu bei, einen informierten und sachorientierten wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs zu untermauern, der den reflektierten Umgang mit der Pandemie ermöglicht.
Wie können wir in unserer Gesellschaft gemeinsam über Chancen und Risiken neuer Möglichkeiten diskutieren? In den sogenannten Diskursvorhaben werden bisher vor allem junge Erwachsene angesprochen. Sie sollen befähigt werden, sich eine eigene, reflektierte Meinung zu bilden.
Wissenschaftlicher Nachwuchs braucht Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. In sogenannten Klausurwochen werden besonders junge, interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefördert. Das ermöglicht ihnen, ihre Arbeits- und Kommunikationsfähigkeiten fächerübergreifend auszubauen. Denn in den Klausurwochen treffen bislang voneinander abgegrenzte Wissenschaften aufeinander: Aus den medizinisch-naturwissenschaftlichen und den geistes- bzw. sozialwissenschaftlichen Fächern.
Um herausragendem wissenschaftlichem Nachwuchs die Möglichkeit zu geben, sich im interdisziplinären Wissenschaftssystem zu etablieren und für eine Professur zu qualifizieren, werden selbstständige Forschungsgruppen gefördert. Mit längerfristig konzipierten Forschungsprojekten können sich die geförderten Gruppen national wie international in dem interdisziplinären ELSA-Feld profilieren.