03.04.2023

Forschung zu Rückenschmerzen und Rheuma: Betroffene reden mit

Beschwerden durch Rückenschmerzen und Rheuma sind trotz Fortschritten in der Therapie weit verbreitet. Um die Ursachen zu ergründen, bindet der vom BMBF geförderte Verbund TARISMA die Betroffenen als gleichberechtigte Partner in seine Forschung ein.

Eine Frau sitzt auf einem Bett und berührt mit ihren Händen Bereiche an Nacken und Lendenwirbelsäule

Chronische Rückenschmerzen können unterschiedliche Ursachen haben – ein Grund, warum die Therapie häufig nicht zum Erfolg führt oder sich lange hinzieht. Forschende im TARISMA-Konsortium wollen gemeinsam mit den Betroffenen Konzepte für eine bessere Versorgung erarbeiten. 

New Africa / Adobe Stock 

Unter-, über-, fehlversorgt – Menschen mit Krankheiten des Bewegungsapparates werden häufig nicht optimal behandelt. Dies hat nicht nur gesundheitliche Konsequenzen etwa im Hinblick auf weitere Begleiterkrankungen, sondern mindert auch die Lebensqualität der Betroffenen: Krankheiten des Bewegungsapparates sind weltweit die führende Ursache von chronischen Schmerzen. Zwar hat sich die Versorgungssituation in den vergangenen 15 Jahren verbessert, die Fallzahlen bleiben jedoch auf einem konstant hohen Niveau. Risiken für eine unzureichende Versorgung gibt es in verschiedenen Lebensphasen, etwa bei einer Schwangerschaft oder dem Übergang ins Erwachsenenalter. Gefährdet sind aber auch Menschen mit bestimmten Vor- oder Begleiterkrankungen. Die Betroffenen werden oft auch deswegen nicht optimal versorgt, weil die verschiedenen Fachärztinnen und -ärzte Begleitsymptome zwar diagnostizieren, aber nicht der eigentlichen Erkrankung zuordnen.

Weit verbreitet: Krankheiten des Bewegungsapparates

Krankheiten des Bewegungsapparates – in der Fachsprache muskuloskelettale Erkrankungen – haben vielfältige Ursachen und Erscheinungsbilder. Keine andere Gruppe von Erkrankungen verursacht weltweit so häufig Schmerzen, körperliche Funktionseinschränkungen und Verlust an Lebensqualität. Einerseits leiden die Betroffenen besonders oft unter chronischen Rückenschmerzen infolge orthopädischer Probleme durch Fehlstellungen oder Fehlbelastungen. Andererseits gehören dazu entzündungsbedingte Rheumaerkrankungen in ihren verschiedenen Ausprägungen bei Kindern und Erwachsenen. Die meisten dieser Krankheiten treten mit dem Alter immer häufiger auf; aufgrund der demografischen Entwicklung geht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) davon aus, dass sich die Anzahl der Menschen mit Knochen- und Gelenkerkrankungen in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt hat.

Wünschenswert ist daher, die Risikofaktoren für Krankheiten des Bewegungsapparates sowie den Stand der Versorgung gezielt zu untersuchen. Zu diesem Zweck haben sich Forschende aus Berlin, Greifswald und Bremen im Konsortium TARISMA (Targeted Risk Management in Musculoskeletal Diseases) zusammengefunden. Da sie der Perspektive der Betroffenen große Bedeutung beimessen, wurden diese von Anfang an, also bereits bei der Konzeption der Forschung, als gleichberechtigte Partner eingebunden. Gemeinsames Ziel aller Partner im Konsortium: Neue Versorgungskonzepte erstellen und dafür sorgen, dass diese so rasch wie möglich den Patientinnen und Patienten zugutekommen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Konsortium drei Jahre mit rund 1,5 Millionen Euro.

Vorhandene und neue Daten zusammenführen und auswerten

Um den Risikofaktoren auf die Spur zu kommen, untersucht das TARISMA-Team spezifische Lebensphasen und Umstände, die den Verlauf von Erkrankungen beeinflussen könnten. Hierzu verwenden die Forschenden vorhandene Datenbestände – beispielsweise von Krankenkassen, aus bevölkerungsbezogenen Kohortenstudien und von Krankheits- und Behandlungsregistern der Rheumatologie. Der Fokus liegt dabei auf ausgewählten entzündlichen Rheumaerkrankungen und spezifischen, damit einhergehenden Krankheiten.

Parallel erheben die Forschenden gezielt neue Daten von Patientinnen und Patienten. Beispielsweise messen sie die körperliche Aktivität von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die an rheumatischen Erkrankungen leiden. Bei Menschen mit bestimmten Gelenkentzündungen erfassen die Forschenden die Einnahme von Medikamenten mit Hilfe einer Smartphone-App. Sobald alle Zahlen vorliegen, verknüpfen sie die Ergebnisse mit den Daten aus den bestehenden Krankheitsregistern und analysieren sie über die Teilprojekte hinaus.

Betroffene von Anfang an gleichberechtigt beteiligt

„Um die wirklich relevanten Versorgungslücken zu identifizieren und die Qualität der Versorgung tatsächlich verbessern zu können, brauchen wir die Einschätzung und Erfahrung der Menschen, die von den Erkrankungen betroffen sind“, erklärt Prof. Dr. Anja Strangfeld, die das TARISMA-Konsortium vom Programmbereich Epidemiologie und Versorgungsforschung des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums (DRFZ) Berlin aus koordiniert. Deswegen wurde bereits bei der Planung des TARISMA-Verbundes ein Beirat aus speziell geschulten Betroffenen und einer Fachpflegekraft gebildet. Die Beiratsmitglieder wirken in allen Phasen des Forschungsprozesses gleichberechtigt mit. „Die Beiratsmitglieder hatten schon in der Planungs- und Initialphase eine wichtige Stimme, und im Projektverlauf informieren wir sie nicht nur regelmäßig, sondern binden sie auch in unsere Diskussionen ein“, sagt Strangfeld.

Input der Betroffenen für die Umsetzungsphase besonders wichtig

Auch wenn es um die Formulierung von Empfehlungen und Fragen der Realisierung geht, ist die aktive Beteiligung von Patientinnen und Patienten wichtig: Wo sollen Prioritäten bei der Versorgung liegen, wie gelingt die Umsetzung in der ärztlichen Praxis, und wie erfahren Selbsthilfegruppen von den Empfehlungen? Eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit spielt dabei eine wichtige Rolle, aber auch die gezielte Information der Betroffenen über Patientenzeitschriften und Patiententage anlässlich von Fachkongressen.

Patientinnen und Patienten mit Krankheiten des Bewegungsapparates, insbesondere chronischen Rückenschmerzen oder Rheuma, sollen rascher und besser von Forschungsergebnissen profitieren als bisher. Damit dies gelingt, wollen Forschende im Konsortium TARISMA – Gezieltes Risikomanagement bei muskuloskelettalen Erkrankungen den Alltag und die Versorgung der erkrankten Menschen genauer untersuchen. Dabei beteiligen sie die Betroffenen von Anfang an als gleichberechtigte Partner sowohl in den einzelnen Forschungsteams als auch über einen Beirat an den übergeordneten Beratungen und Entscheidungen. Das BMBF fördert die drei Projektgruppen des Konsortiums aus Berlin, Greifswald und Bremen von 2020 bis 2023 mit insgesamt rund 1,5 Millionen Euro. TARISMA ist einer der acht vom BMBF geförderten Interdisziplinären Forschungsverbünde muskuloskelettale Erkrankungen.