Qualitativ hochwertige Daten sind in der Medizin ein kostbares Gut. Im DKTK ist deshalb mit der Joint Imaging Platform (JIP) eine IT-Infrastruktur des DKFZ weiterentwickelt worden, die es den Forschenden ermöglicht, Bilddaten gemeinsam zu nutzen.
Auf der Aufnahme des Magnetresonanztomografen (MRT) ist eine verdächtige Stelle zu sehen: Ist es ein bösartiger Tumor oder eine gutartige Veränderung? Tagtäglich müssen Onkologinnen und Onkologen solche und ähnliche Fragen beantworten, wenn sie medizinische Bilder beurteilen. Hat sich die Tumorgröße verändert? Hat der Krebs in andere Organe gestreut? Radiologisches Bildmaterial auszuwerten ist zeitintensiv und setzt erfahrene Fachkräfte voraus. Gleichzeitig wächst die Menge an Bilddaten mit dem technologischen Fortschritt der Geräte.
Algorithmen sollen deshalb zukünftig die Medizinerinnen und Mediziner bei der Diagnostik unterstützen. Mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich Aufnahmen Pixel für Pixel analysieren. So kann eine KI feststellen, welcher Bildpunkt welcher Gewebeart entspricht oder wie sich ein Tumor über die Zeit verändert. Die Programme können lernen, welche Kombination von Merkmalen eine bösartige Veränderung anzeigt. Für diesen Lernprozess braucht es große Mengen hochqualitativer Daten. „Eine KI kann nur so zuverlässig sein wie die Daten, mit denen sie trainiert wurde“, sagt Professor Dr. Klaus Maier-Hein. Er leitet im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, dem Kernzentrum des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK), die Abteilung Medizinische Bildverarbeitung. Gemeinsam mit Professor Dr. Heinz-Peter Schlemmer, dem Leiter der Radiologie am DKFZ, hat er deshalb vor drei Jahren die Entwicklung einer IT-Infrastruktur für Bildanalyse und maschinelles Lernen angestoßen – die Joint Imaging Platform, kurz JIP.
RACOON – erste deutschlandweite Radiologie-Plattform
Aufgrund der Corona-Pandemie entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im DKTK ausgehend von der JIP gemeinsam mit weiteren Experten eine IT-Infrastruktur, die es zulässt, radiologisches Bildmaterial von Covid-19-Patientinnen und -Patienten deutschlandweit genormt zu erfassen und auszuwerten. RACOON – „Radiological Cooperative Network zur Covid-19 Pandemie“ – heißt die erste deutschlandweite Radiologie-Plattform, die mithilfe der am DKFZ entwickelten Technologie entsteht und an der fast alle Universitätskliniken beteiligt sind. Die Mittel hierfür kommen aus der Initiative Nationales Netzwerk der Universitätsmedizin zu Covid-19 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zur Bewältigung der Pandemie. Denn computertomografische Aufnahmen der Lunge von Covid-19-Patientinnen und -Patienten helfen Ärzten dabei, den Verlauf der Erkrankung beurteilen zu können.
Aufbau eines radiologischen Forschungsnetzwerks
Über eine Infrastrukturförderung im DKTK, das „Joint Funding Förderprogramm“, wurde die JIP seit 2017 sukzessive an den DKTK-Partnerstandorten ausgerollt. Sie vereinfacht den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an allen acht Standorten des DKTK die Arbeit mit radiologischen Aufnahmen und deren Analyse. Jede und jeder Einzelne kann dadurch viel größere Mengen an Bildmaterial für ihre oder seine Forschung nutzen. Das erhöht die Aussagekraft einer Studie oder lässt bestimmte Fragestellungen überhaupt erst zu. „Zudem unterstützen wir so die Verbreitung neuester radiologischer Methoden im Forschungsnetzwerk“, ergänzt Schlemmer. Von all dem profitieren letztlich auch die Patientinnen und Patienten, weil dadurch die Therapie verbessert und individuell genauer zugeschnitten wird.
Damit der Austausch und die Analyse der Bilder reibungslos funktionieren, müssen diese an allen beteiligten Standorten einheitlich aufbereitet und verwaltet werden. „Die JIP schafft einen gemeinsamen Nenner“, berichtet Maier-Hein, der mit seinem Team die technische Konzeption der Plattform entwickelt hat. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dabei Analysemethoden implementiert, die möglichst viele Information aus den radiologischen Aufnahmen herausholen. Forschende können verschiedene Auswertungstools anwenden oder diese über die Plattform tauschen und sogar weiterentwickeln.
Neben reinen Bildinformationen werden zusätzlich auch die sogenannten Metadaten dokumentiert. Dazu zählen die Einstellungsparameter während der Aufnahme, etwa die Dosis der Röntgenstrahlung, die vergleichbar mit der Belichtungszeit bei der Fotografie die Bildqualität beeinflusst. Zusätzlich sind auch relevante Informationen über die Erkrankung mit den Bilddaten verknüpft. Dem Schutz der Daten kam deshalb bei der Konzeption der JIP eine wichtige Rolle zu. „Uns war zudem wichtig, dass jeder Standort die Hoheit über seine Daten behält“, sagt Maier-Hein. Über die Plattform können Forscherinnen und Forscher die Daten in ihre eigenen Analysen einbeziehen, die Bilder selbst verbleiben jedoch dort, wo sie entstanden sind.
Künstliche Intelligenz erkennt Tumoren
Am DKFZ entwickelten Forschende jüngst ein künstliches neuronales Netz, das anhand einer Vielzahl von MRT-Aufnahmen lernt, woran sich verdächtige Gewebeveränderungen festmachen lassen. In Tests konnte die KI in 92 Prozent der Fälle klinisch relevanten Prostatakrebs erkennen – etwa genauso gut, wie Radiologen das leisteten. „Die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines klinisch relevanten Karzinoms war dann am höchsten, wenn sowohl Radiologen als auch die KI einen verdächtigen Befund als auffällig diagnostizierten“, berichtet Schlemmer. Nun soll die JIP den nächsten Schritt ermöglichen: Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus dem DKTK-Netzwerk möchten die Forschenden die Anwendung in größeren Patientengruppen validieren. Eine Studie soll zeigen, ob das Programm Ärztinnen und Ärzte sowohl im klinischen Alltag bei der Diagnose als auch beim Behandlungsmonitoring der Betroffenen mit onkologischen Erkrankungen unterstützen kann.
Die Plattform selbst sowie die entwickelten IT-Werkzeuge und KI-Anwendungen lassen sich jedoch nicht nur für die radiologische Forschung nutzen. Maier-Hein und Schlemmer sehen die JIP deshalb als Vorbild für andere medizinische Sparten, in denen es große Datenmengen auszuwerten gilt, beispielsweise bei klinischen Vorsorgeuntersuchungen. Daten sind kostbar – und geteilt können sie sogar noch wertvoller sein.
Mehr Informationen zum JIP finden Sie auf den Internetseiten des DKTK.
DKTK
Das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung, kurz DKTK, ist eines von sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden. Im DKTK bündeln Forscherinnen und Forscher aus mehr als 20 universitären und außeruniversitären Einrichtungen in ganz Deutschland ihre Kräfte im Kampf gegen Krebserkrankungen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg verbindet sich als Kernzentrum mit sieben universitären Partnerstandorten im Konsortium mit den stärksten Krebsforschungs- und Krebstherapiezentren in Deutschland.
Weitere Informationen: www.dktk.dkfz.de
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Klaus Maier-Hein
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Abt. Medizinische Bildverarbeitung
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
k.maier-hein@dkfz-heidelberg.de
Prof. Dr. Heinz-Peter Schlemmer
Abt. Radiologie
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
h.schlemmer@dkfz-heidelberg.de
Pressekontakt:
Dr. Nadine Ogrissek
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK)
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