Eine neue Technologie kann die Ernährung älterer Menschen in Pflegeheimen entscheidend verbessern. Pürierte Kost gleicht hierdurch normalem Essen und wird wieder mit mehr Genuss gegessen.
Eine raffinierte Entwicklung der Lebensmitteltechnologie, der sogenannte „3D-Lebensmitteldruck“, kann Nahrungsmittel optisch beliebig aufbereiten. Auf diese Weise lassen sich ganze Mahlzeiten kreieren, zum Beispiel ein Menü aus Gemüse, Kartoffeln und Fleisch. „Wir möchten auch älteren Menschen, die Probleme mit dem Kauen und Schlucken haben, eine ansprechende Mahlzeit anbieten können. Im Gegensatz zur passierten Kost sprechen die Menüs aus dem 3D-Drucker auch das Auge an. Erste Ergebnisse zeigen, dass sie daher auch mit mehr Genuss gegessen werden“, erläutert Projektleiterin Melanie Senger vom Institut für Lebensmitteltechnologie an der Hochschule Weihenstephan Triesdorf.
In zwei Pflegeheimen haben die Forschungsteams des Instituts für Lebensmitteltechnologie und des Instituts für Biomedizin des Alterns in Erlangen die Herstellung einer neu aufbereiteten texturadaptierten Kost etabliert. Mit großem Erfolg: Die Seniorinnen und Senioren aßen wieder mit mehr Appetit und nahmen innerhalb weniger Wochen an Gewicht zu. Dadurch stieg auch ihre Vitalität und Lebensfreude. „Mangelernährung ist ein großes Problem in Pflegeheimen. Mit zunehmendem Alter sinkt das Geschmacks- und Geruchsempfinden, der Appetit lässt nach. Leiden die Betroffenen dann auch noch unter Kau- oder Schluckbeschwerden, nehmen sie häufig nicht mehr genug Nährstoffe auf, um gesund zu bleiben“, so Professorin Dorothee Volkert vom Institut für Biomedizin des Alterns. Die durchgeführten Studien sind Teil des „enable“-Kompetenzclusters der Ernährungsforschung, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.
Das Projekt enable verzahnt die Biomedizin des Alterns mit der Lebensmitteltechnologie
Senger und ihr Team haben hierzu eng mit Expertinnen und Experten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen zusammengearbeitet, die sich mit den biomedizinischen Grundlagen des Alterns befassen. „Zunächst haben wir die Ernährungssituation von Heimbewohnerinnen und -bewohnern mit Kau- oder Schluckbeschwerden systematisch analysiert. Tatsächlich zeigte sich, dass sie sehr wenig essen und relativ geringe Mengen an Energie und Eiweiß zu sich nehmen,“ sagte Volkert. In einem zweiten Schritt entwickelten die Forschenden dann die neuen Menüs und testeten, ob die Betroffenen sie annehmen. Die Arbeiten des Kompetenzclusters bauten hierbei auf einem Projekt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auf, das den 3D-Lebensmitteldruck entwickelte. Auch dieses Projekt wurde an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf durchgeführt.
Die Rezepte der Heimküchen bilden die Basis
Grundlage der Menüs waren die Rezepte der Heimküchen. Hierzu arbeiteten die Forschenden eng mit dem Personal der Pflegeheime zusammen. Als Basis dienten also natürliche Lebensmittel, die püriert wurden. Mit dem neuen Konzept konnte sodann die Konsistenz, Optik und Textur der Kost angepasst werden. Zudem verbesserten die Forschenden die Zusammensetzung der Nährstoffe und erhöhten zum Beispiel den Eiweiß- und Energiegehalt der Kost. Den Forscherinnen und Forschern war es hierbei besonders wichtig, dass das neue Konzept gut in den Küchen- und Heimalltag integriert war. „Das Küchenpersonal hat uns bei unserer Arbeit sehr unterstützt – anders wäre das Projekt auf Dauer auch nicht möglich“, sagte Senger.
Mangelernährung ist ein großes Problem für Pflegeeinrichtungen
Für ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen stellt Mangelernährung ein weitverbreitetes Problem dar. Bis zu 40 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen leiden darunter, und viele weitere sind gefährdet. Die Ursachen für Mangelernährung können vielfältig sein. Kau- und Schluckbeschwerden gelten hierbei als einer der wichtigsten Risikofaktoren. Daher bieten Pflegeheime meist weiche und pürierte Kost für diese Bewohnerinnen und Bewohner an − allerdings ist diese häufig nährstoffarm und optisch wenig attraktiv. Infolgedessen nehmen die betroffenen Personen oft zu wenig Energie und Nährstoffe auf.
Wie geht es weiter?
Die Arbeiten von enable werden in einer zweiten Förderphase des BMBF fortgesetzt. Die Forschenden werden hierbei die Techniken weiterentwickeln, mit denen Nährstoffe und Proteine in der Kost angereichert werden. Auch werden sie mit weiteren Pflegeeinrichtungen zusammenarbeiten, um ihr Konzept auszuweiten und seine Wirksamkeit zu prüfen. „Unser langfristiges Ziel ist es, dass Pflegeeinrichtungen deutschlandweit unsere Arbeiten nutzen können. Wir möchten so dazu beizutragen, die Lebensqualität der Menschen in Pflegeheimen zu verbessern,“ sagt Senger.
Prinzipiell könnten auch andere Bevölkerungsgruppen von der neuen Technologie profitieren, da sie es ermöglicht, Lebensmittel für verschiedenste Bedürfnisse herzustellen. So könnten beispielsweise Kliniken ihr Essensangebot für Patientinnen und Patienten mit einem Schlaganfall, mit neurologischen oder mit onkologischen Erkrankungen optimieren. Die neue Kost könnte aber auch für Menschen mit Nahrungsmittelallergien oder Lebensmittelunverträglichkeiten relevant sein und es ihnen möglich machen, sorgenfrei und gesund zu essen.
Ernährungsforschung − Förderung einer gesunden Ernährung in allen Lebensphasen
Das enable-Kompetenzcluster der Ernährungsforschung ist ein regionaler Forschungsverbund von bayerischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und verschiedenen Unternehmen der Lebensmittelbranche. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt enable seit 2015 mit rund 11.6 Mio €.
Das Cluster möchte neue Strategien erarbeiten, damit sich Menschen in unterschiedlichen Alters- und Lebensphasen gesünder ernähren. Mit den Teilnehmenden werden gesundheitsförderliche und gleichzeitig schmackhafte Fertiggerichte entwickelt und getestet. Diese sind an den besonderen Bedarf der Verbraucherinnen und Verbraucher in den verschiedenen Lebensphasen angepasst. Weiterhin werden neue Informations- und Kommunikationstechnologien genutzt, um diese Lebensmittel sowie eine gesunde Ernährungsweise zu bewerben.
Weitere Informationen:
Enable: "Förderung einer gesunden Ernährung in allen Lebensphasen"
Enable - Gesunde Ernährung in allen Lebensphasen
Ansprechpartner:
Professorin Dorothee Volkert
Institut für Biomedizin des Alterns
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Kobergerstraße 60
90408 Nürnberg
dorothee.volkert-at-fau.de
www.iba.med.fau.de
Professor Thomas Loetzbeyer
Institut für Lebensmitteltechnologie
Hochschule Weihenstephan Triesdorf
Am Staudengarten 11
85354 Freising
thomas.loetzbeyer@hswt.de
www.hswt.de