19.11.2024

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KI als Frühwarnsystem für lebensgefährliche Lebererkrankungen

Lebererkrankungen sind weit verbreitet, doch eine frühzeitige Diagnose kann Leben retten. Ein Forschungsprojekt setzt auf Künstliche Intelligenz, um genauere Risikovorhersagen und maßgeschneiderte Therapieansätze für Leberkrankheiten zu ermöglichen.

Arzt hält Modell einer Leber in beiden Händen  - KI generiert

Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan des Körpers. Wenn sie krank ist, merken die Betroffenen das oftmals erst spät. Umso essentieller ist es, verbesserte Diagnosetools und Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.

sundas / Adobe Stock (KI-generiert) 

Lebererkrankungen stellen weltweit ein wachsendes Gesundheitsproblem dar. Die Bandbreite ist groß. Besonders alarmierend ist die zunehmende Verbreitung von Fettlebererkrankungen, die häufig mit ungesunder Ernährung und Übergewicht zusammenhängen. Schätzungen zufolge sind rund 30 Prozent der Weltbevölkerung davon betroffen – Tendenz steigend. Erschwerend kommt hinzu, dass Lebererkrankungen oft über einen längeren Zeitraum hinweg unentdeckt bleiben, da sie im Frühstadium häufig ohne spezifische Symptome verlaufen. Unbehandelt kann eine Fettleber jedoch zu Entzündungen, Vernarbungen und im schlimmsten Fall zu Leberkrebs führen. „Je früher eine Lebererkrankung erkannt wird, desto besser kann man gegensteuern. Voraussetzung hierfür sind verbesserte Diagnosen und Risikovorhersagen. Sie könnten erheblich dazu beitragen, schwere Krankheitsverläufe zu verhindern“, betont Dr. Tobias Seraphin vom Universitätsklinikum Düsseldorf​.

Deutscher Lebertag am 20. November

Leber gut – alles gut“ lautet das Motto des Deutschen Lebertages 2024. Mit Veranstaltungen und Informationsangeboten klären Fachleute über die Risiken von Lebererkrankungen wie Fettleber oder Leberkrebs auf. Ziel ist es, das Bewusstsein für die Leber als wichtigstem Stoffwechselorgan des menschlichen Körpers zu stärken und darüber zu informieren, was man tun kann, damit die Leber gesund bleibt.
Weitere Informationen: Deutscher Lebertag 2024


Die Früherkennung und Prävention von Leberkrebs deutlich zu verbessern, ist auch das Ziel des Forschungsnetzwerks „Liver Systems Medicine Cancer – LiSyM-Krebs“. Forschende unterschiedlicher Disziplinen wie Molekularbiologie, Medizin und mathematischer Modellierung forschen gemeinsam an der Entstehung von Leberkrebs aus Vorerkrankungen wie der nicht-alkoholischen Fettleber oder Leberzirrhose. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Netzwerk im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs.
Weitere Informationen: www.lisym-cancer.org/de

Im Projekt „Transform Liver“ entwickelt der Mediziner gemeinsam mit anderen Leberexpertinnen und -experten eine Künstliche Intelligenz (KI), die die Früherkennung und personalisierte Behandlung schwerer Lebererkrankungen deutlich voranbringen soll. Mit Hilfe der KI analysieren die Forschenden Zellen und Strukturen in Gewebeproben von Leberpatientinnen und -patienten. Ihr Ziel ist es, neue krankheitsspezifische Merkmale zu finden, so genannte digitale Biomarker. „Diese Biomarker sollen künftig helfen, die verschiedenen Krankheitsstadien genauer zu bestimmen und potenzielle Risikogruppen für schwere Verläufe früher zu identifizieren. Auf dieser Basis können wir dann auch gezieltere Behandlungsempfehlungen geben“, sagt Professor Dr. Daniel Truhn, der an der Uniklinik Aachen eine der Arbeitsgruppen von „Transform Liver“ leitet. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das Projekt im Rahmen der Förderinitiative „Computational Life Sciences – CompLS“.

Besseres Verständnis für Krankheitsprozesse

Um die KI so leistungsfähig wie möglich zu machen, trainieren die Forschenden sie mit Gewebeproben und Daten von rund 2.600 Patientinnen und Patienten. Dabei setzen sie auf sogenannte Transformer, eine neue und besonders leistungsfähige Form von neuronalen Netzen. Beim Einsatz dieser KI-Modelle in der medizinischen Forschung zählt das Projektteam zu den Pionieren. „Transformer erlauben es uns, Bilddaten und Sprachinformationen gleichzeitig zu verarbeiten“, erklärt Truhn. Diese Modelle können somit komplexe Verbindungen zwischen den Aufnahmen des Gewebes und weiteren Informationen wie Laborwerten der Erkrankten knüpfen. So gelingt es leichter als bisher, verborgene Zusammenhänge im Krankheitsverlauf aufzudecken. Die Forschenden erhoffen sich dadurch auch ein besseres Verständnis der Krankheitsprozesse in der Leber.

Künftig könnte das neue KI-Modell Ärztinnen und Ärzte bei der Risikobewertung und Therapieplanung unterstützen. „So könnten Patientendaten und digitalisierte Gewebeproben in die KI eingespeist werden, um das individuelle Risiko jedes einzelnen Patienten für einen schwerwiegenden Verlauf präziser einzuschätzen“, erläutert Truhn.

Bis zur klinischen Anwendung gibt es jedoch noch viel zu tun: So muss das entsprechende KI-Tool zunächst als zertifiziertes Medizinprodukt zugelassen werden, ein Prozess, für den die Forschenden wegen der hohen Kosten auch einen kommerziellen Partner mit ins Boot holen müssen. Zudem gilt es, technische Hürden zu überwinden. „Viele Krankenhäuser in Deutschland besitzen noch keine digitale Infrastruktur zur Speicherung und Analyse von Gewebeproben“, sagt Truhn. „Eine weitere Digitalisierung der Patientendaten ist daher unabdingbar, um das KI-System effektiv einzusetzen.“

Bis es soweit ist, kann jedoch auch jeder Einzelne etwas tun, um Lebererkrankungen vorzubeugen. Dabei spielt die Ernährung eine entscheidende Rolle. „Wir empfehlen eine mediterrane Kost mit viel Gemüse und tendenziell pflanzliche anstelle von tierischen Fetten“, sagt Seraphin. Selbst bei jungen, sportlichen Menschen könne durch übermäßigen Konsum von Kohlenhydraten und Tierprodukten eine Fettleber entstehen. Insofern hilft eine vorrangig pflanzliche, ausgewogene Ernährung dabei, einer Fettlebererkrankung vorzubeugen.

Förderung innovativer Softwaretools

In der Patientenversorgung und der klinischen Forschung wächst die Menge an elektronisch verfügbaren Daten rasant. Intelligente Algorithmen können in diesen riesigen Datenschätzen versteckte Muster aufspüren. Sie helfen dabei, Zusammenhänge zu erkennen sowie verbesserte Ansätze für die Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten zu finden. Mit der Förderinitiative „Computational Life Sciences - CompLS“ treibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Entwicklung innovativer Softwaretools für die Lebenswissenschaften voran. Einer der Schwerpunkte ist die Nutzung von Methoden der Künstlichen Intelligenz in der Biomedizin. Seit 2018 hat das BMBF rund 52 Millionen Euro für mehr als 70 Forschungsprojekte bereitgestellt.