Ob Tanzen oder Wassergymnastik – gezielte körperliche Aktivitäten können die Beweglichkeit und Lebensqualität von Menschen mit Parkinson verbessern. Dies ergibt die systematische Auswertung bisheriger Studien durch ein BMBF-gefördertes Forschungsteam.
Muskelsteifigkeit, Erschöpfung, Verstopfung, depressive Verstimmungen – die Symptome der Parkinson-Krankheit bleiben anfangs häufig unerkannt, schreiten aber stetig voran. Meist sind Menschen ab dem 60. Lebensjahr betroffen, Männer häufiger als Frauen. Ursache sind fortschreitende Schäden an bestimmten Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Sie können zwar nicht geheilt, die Symptome aber durch hochwirksame Medikamente und Operationen gelindert werden. Ein bislang womöglich unterschätztes weiteres Mittel: körperliche Aktivität! Dafür sprechen die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Vorhabens „Physische Interventionen bei Patientinnen und Patienten mit Morbus Parkinson“.
Bewegung ist für alle gut – besonders für Menschen mit Parkinson
„Mehr Bewegung ins Leben bringen tut allen Menschen gut“, sagt die Projektleiterin Professorin Dr. Elke Kalbe, Neuropsychologin am Universitätsklinikum Köln und ergänzt: „Dass dies ganz besonders für Menschen mit Parkinson gilt, zeigen viele Studien über die Wirkung unterschiedlichster Bewegungsangebote auf die Krankheitssymptome, und auch die individuellen Erfahrungen der Betroffenen selbst sprechen dafür. Doch wir müssen noch viele Fragen beantworten, um den Betroffenen gezielter helfen zu können.“
Vorhandene Studien ausgewertet und Betroffene eingebunden
Kalbe und ihr Forschungsteam widmeten sich vor allem folgenden Fragen: Welche körperlichen Aktivitäten sind am besten geeignet, um den Schweregrad der charakteristischen Bewegungssymptome wie Zittern oder Gangstörungen zu lindern, welche verbessern am ehesten die Lebensqualität, wie wirkt körperliche Aktivität auf kognitive Fähigkeiten wie Sprache, Aufmerksamkeit oder das Gedächtnis, und gibt es unerwünschte Nebenwirkungen? Um das herauszufinden, haben sie zum einen die Ergebnisse der weltweit vorhandenen Studien im Detail ausgewertet (Systematisches Review) und zum anderen die Erfahrungen der Betroffenen und die ihres Umfelds in persönlichen Gesprächen erfasst und mögliche Verbesserungsansätze mit ihnen diskutiert.
Der Fokus lag dabei auf einer breiten Palette von Bewegungsangeboten wie Tanzen und Wassergymnastik, Gang-, Gleichgewichts- und Funktionstraining, Kraft- und Ausdauertraining, Körper-Geist-Training wie Tai Chi oder Yoga, aber auch Parkinson-spezifische Physiotherapie. Insgesamt ergab die Auswertung, dass sich jede dieser gezielten körperlichen Aktivitäten positiv auf den Schweregrad der Bewegungssymptome und auf die Lebensqualität auswirkt, dass aber aus rein wissenschaftlicher Sicht keine Bewegungsform einer anderen wesentlich überlegen ist. Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass sich auch die kognitiven Fähigkeiten durch Sport verbessern, auch wenn die Nachweise wissenschaftlich noch unsicher sind. Unerwünschte Nebenwirkungen traten nur selten auf und konnten keinen bestimmten Aktivitäten zugeordnet werden.
Gute Nachricht: Sportart selbst auswählen
„Dies sind gute Nachrichten, denn es bedeutet, dass die Betroffenen selbst auswählen können, was sie am liebsten machen wollen. Hauptsache regelmäßig Sport!“, rät Kalbe, weist aber daraufhin: „Dies natürlich zusätzlich zur Standardtherapie. Zu betonen ist, dass die Physiotherapie hierdurch nicht ersetzt werden sollte, denn diese ist wichtig, um ganz gezielt zum Beispiel die Feinmotorik zu stärken oder das Sturzrisiko zu senken. Es geht um zusätzliche Bewegungsangebote.“ Das Projektteam erarbeitet zurzeit eine Patientenbroschüre mit laienverständlichen Erklärungen und Tipps.
Im BMBF-geförderten Vorhaben „Physische Interventionen bei Patientinnen und Patienten mit Morbus Parkinson: Ein systematisches Review mit Netzwerk-Metaanalyse“ wurden 154 Studien mit insgesamt 7.837 Betroffenen im Alter zwischen 60 und 74 Jahren ausgewertet. Erfasst wurden die Auswirkungen verschiedener Bewegungsangebote auf die Schwere der Bewegungssymptome, die Lebensqualität und unerwünschte Nebenwirkungen. Die Erfahrungen der Betroffenen und Anbietern von Bewegungsangeboten wurde in Interviews und Diskussionsrunden ermittelt. Um allen Aspekten gerecht zu werden, bringen sich Expertinnen und Experten aus der Medizinischen Psychologie, einer Cochrane-Gruppe, Medizinsoziologie, der Versorgungsforschung, der Rehabilitationswissenschaft und Bioinformatik der Universität zu Köln sowie der Neurologie des Knappschaftskrankenhauses Bottrop und der Arbeitsgruppe Cognition, Aging and Brain Stimulation der Universitätsklinik Greifswald ein.