Im Alter gehen oft Nervenzellen und Zellfunktionen verloren. Ist dieser Schaden allerdings so groß, dass das Gehirn ihn nicht mehr kompensieren kann, sprechen Fachleute von einer neurodegenerativen Erkrankung.
Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung nimmt in Deutschland stetig zu. Weil sie eng mit den Alterungsprozessen verbunden sind, gelten neurodegenerative Erkrankungen daher als wichtige medizinische Herausforderung der kommenden Jahrzehnte. Schon heute schätzen Expertinnen und Experten, dass rund 1,5 Millionen Deutsche an einer Demenz erkrankt sind. Schätzungsweise 300.000 Menschen in Deutschland leiden unter einer Parkinson-Erkrankung.
Neben der Parkinson-Erkrankung und verschiedenen Demenzformen gibt es eine ganze Reihe weiterer neurodegenerativer Erkrankungen. Viele sind altersassoziiert, aber auch bei jungen Menschen können sie auftreten, beispielsweise die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), die Huntington-Erkrankung oder die infektiöse Prionen-Erkrankung „Creutzfeldt-Jacob“.
Schätzungen zufolge dürfte die Gesamtzahl von Patientinnen und Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen in Deutschland bis zum Jahr 2050 als Folge des demographischen Wandels auf drei Millionen oder mehr ansteigen (Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen).
Warum Nervenzellen abgebaut werden
Die Nervenzellen des Gehirns sind einerseits sehr langlebig, andererseits können sie sich bei Verletzungen nicht oder nur schwer regenerieren. Deswegen sind neurodegenerative Erkrankungen so fatal: Das Gehirn kann jene Zellen, die vorzeitig sterben, nicht ohne Weiteres ersetzen.
Was letztlich zur Neurodegeneration, also dem Absterben der Nervenzellen führt, ist je nach Krankheit unterschiedlich und bisher oft nur teilweise bekannt. Bei bestimmten Formen der Parkinson-Erkrankung oder der Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung beispielsweise kommt es als Folge einer genetischen Besonderheit zu einer Zusammenlagerung von Eiweißstoffen in den Nervenzellen des Gehirns. Diese Aggregate beinträchtigen die Funktion der Zellen und führen schließlich zu ihrem Tod. Bei Menschen mit Huntington-Erkrankung tritt eine ganz bestimmte genetische Sequenz im Erbgut sehr viel häufiger auf als bei gesunden Menschen. Die Folge ist, dass die betroffenen Zellen empfindlicher gegenüber Außenreizen werden und deswegen leichter absterben.
Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass auch unser Immunsystem Auswirkungen auf die Entstehung und den Verlauf neurodegenerativer Erkrankungen haben kann. Immunzellen, die den Körper eigentlich schützen sollen, könnten im Gehirn Schäden anrichten und so beispielsweise die Alzheimer-Krankheit antreiben. Die genauen Zusammenhänge sind noch wenig erforscht.
Der Ort entscheidet über die Symptome
Charakteristisch für neurodegenerative Erkrankungen ist, dass meist nicht das ganze Gehirn betroffen ist, sondern unterschiedliche, oft sehr genau umschriebene Bereiche beziehungsweise Zelltypen. Aus diesem Grund können spezialisierte Ärztinnen und Ärzte teilweise schon anhand der klinischen Symptomatik exakt erkennen, um was für eine Erkrankung es sich handelt.
Bei der Parkinson-Erkrankung beispielsweise sind ausschließlich Nervenzellen betroffen, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Dopamin wird für die Bewegungssteuerung benötigt. Die entsprechenden Nervenzellen haben eine koordinierende Funktion. Folglich wirken Parkinson-Patientinnen und -Patienten in ihren Bewegungsabläufen steif und verlangsamt, oder sie zeigen sehr charakteristische Bewegungsmuster, etwa Muskelzittern (Tremor). Die geistigen Funktionen dagegen bleiben oft erhalten.
Auch die Huntington-Erkrankung betrifft Nervenzellen, die an der Steuerung von Bewegungsabläufen beteiligt sind. In diesem Fall produzieren die absterbenden Nervenzellen den Botenstoff Glutamat. Die betroffenen Menschen zeigen ausladende Bewegungen, die wie ein Tanz wirken können. Glutamat-produzierende Nervenzellen sind aber auch an geistigen Fähigkeiten beteiligt, sodass sich auch das Sozialverhalten der Betroffenen verändert.
Bei der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) wiederum gehen selektiv sogenannte Motoneurone zugrunde. Das sind Nervenzellen, die das Gehirn mit der Muskulatur verbinden. Wenn Motoneurone sterben, dann kann das Gehirn die Muskeln nicht mehr „ansteuern“. Die Folge sind Lähmungen, die bei der ALS im fortgeschrittenen Stadium auch die Atemmuskulatur betreffen können und zum Tode führen.
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen
Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE) erforscht die Ursachen von Störungen des Nervensystems und entwickelt Strategien zur Prävention, Therapie und Pflege bei Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Dabei kooperiert es eng mit Universitäten, deren Kliniken und außeruniversitären Einrichtungen auf nationaler und internationaler Ebene. Das DZNE ist eines von sechs Zentren der Gesundheitsforschung (DZG), die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zur Bekämpfung der wichtigsten Volkskrankheiten eingerichtet wurden. Weitere Informationen zu den DZG finden Sie hier.