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| Januar 2018

Schlank und dennoch ein hohes Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Fast jeder fünfte schlanke Mensch hat ein erhöhtes Risiko für Diabetes sowie für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ein Hinweis, dass eine Person zu dieser Risikogruppe gehört, liegt darin, dass sie kaum Fett am Oberschenkel angelagert hat.

Schlank ist gesund – diese Faustformel gilt nicht immer. Metaanalysen von Studien ergaben, dass es eine Untergruppe von schlanken Menschen (knapp 20 Prozent) mit einem geschädigten Stoffwechsel gibt. Dabei liegen erhöhte Werte von Blutzucker, Triglyzeriden, erniedrigte Werte von HDL-Cholesterin und/oder erhöhte Blutdruckwerte vor. Ihr Risiko für einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder früh zu versterben, ist im Vergleich zu metabolisch gesunden schlanken Menschen um mehr als das Dreifache erhöht. Es ist sogar höher als das von übergewichtigen Menschen mit einem gesunden Stoffwechsel.

Schlanke Menschen beim Treppensteigen

Fast jeder fünfte schlanke Mensch hat ein erhöhtes Risiko für Diabetes sowie für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

DGLimages/iStock

Doch was sind die Ursachen hierfür? Was unterscheidet diese Untergruppe von den schlanken Menschen mit gesundem Stoffwechsel? Welche phänotypischen Besonderheiten haben die Betroffenen? Diesen Fragen stellten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Medizinischen Klinik IV des Universitätsklinikums der Universität Tübingen und des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, einem Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD). Sie untersuchten die Daten von 981 Probanden und kamen auch hier zu ähnlichen Ergebnissen wie in den Metaanalysen – etwa 18 Prozent der schlanken Probanden hatten einen geschädigten Stoffwechsel. Die Betroffenen zeigten zwei oder mehr Risiko-Parameter, die auch das Metabolische Syndrom kennzeichnen.

Metabolisches Syndrom

Menschen mit einem Metabolischen Syndrom haben oft starkes Übergewicht (meist mit einer bauchbetonten Fetteinlagerung), Bluthochdruck, einen erhöhten Blutzuckerspiegel und/oder einen gestörten Fettstoffwechsel. Sie weisen laut Definition der Internationalen Diabetes-Föderation (IDF) folgende Merkmale auf:

• Der Bauchumfang beträgt mindestens 94 cm (Männer) bzw. 80 cm (Frauen).
• Zusätzlich treffen zwei der folgenden Risiko-Parameter zu:

1. Der Triglyzerid-Wert im Blut liegt unbehandelt bei über 150 mg/dl. Triglyceride gehören zu den Blutfetten. Sie werden über das Blut transportiert und sind daher im Blutserum nachweisbar.
2. Der HDL-Cholesterinwert liegt unbehandelt bei über 40 mg/dl (Männer) bzw. über 50 mg/dl (Frauen).
3. Der Blutdruck beträgt ≥ 130 mmHg (systolisch) oder diastolisch ≥ 85 mmHg (diastolisch), sofern der Betroffene keine blutdrucksenkende Therapie erhält.
4. Nüchtern weist der Patient Blutzuckerwerte von ≥100 mg/dl bzw. 5,6 mmol/l auf – oder es liegt bereits die Diagnose eines Diabetes vor.

Risiko: Wenig Fett am Bein

Das Team um Norbert Stefan, Fritz Schick und Hans-Ulrich Häring untersuchte bei diesen Probanden das Körperfett, die Fettverteilung und den Fettanteil in der Leber mithilfe der Magnetresonanz-Tomographie und Magnetresonanz-Spektroskopie. Dabei zeigte sich, dass die Betroffenen nur wenig Fett an den Beinen speichern. Sie haben einen ähnlichen Phänotyp wie Menschen mit Lipodystrophie, einer krankhaften Veränderung und Verkümmerung des Unterhautfettgewebes.

Die Wissenschaftler untersuchten zudem die Insulin-Empfindlichkeit, die Insulin-Sekretion, die Blutgefäße und die körperliche Fitness der Betroffenen. Auch hier zeigten sich Auffälligkeiten. „Zwischen dem fehlenden Fett an den Beinen von schlanken Personen und einem ungesunden Stoffwechsel besteht der stärkste Zusammenhang“, fasst Professor Norbert Stefan die Ergebnisse zusammen.

Entwicklung von maßgeschneiderten Lebensstilinterventionen

Die Wissenschaftler schlagen vor, dass schlanke Menschen, bei denen zwei oder mehr Risiko-Parameter des Metabolischen Syndroms auftreten und die kaum Fett an den Beinen speichern, sorgfältig auf eine mögliche Schädigung des Stoffwechsels untersucht werden. „Fällt auf, dass ein Patient wenig Fett an Hüfte und Beinen hat, sollte dies als zusätzlicher Risikofaktor berücksichtigt werden. In diesem Fall sollte sorgfältig untersucht werden, ob metabolische Risikofaktoren oder Stoffwechsel-Erkrankungen wie eine gestörte Glukosetoleranz, eine Fettleber oder Arteriosklerose vorliegen, um frühzeitig eine geeignete Behandlung einleiten zu können“, rät Stefan. Wichtig wäre es, für die unterschiedlichen Untergruppen von schlanken und übergewichtigen Menschen mit Stoffwechselstörungen maßgeschneiderte Lebensstilinterventionen oder spezifische medikamentöse Behandlungen für eine personalisierte Prävention zu entwickeln.

DZD – Forschen für eine Zukunft ohne Diabetes

Im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) arbeiten Expertinnen und Experten aus Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinischer Anwendung deutschlandweit zusammen. Durch diesen translationalen Forschungsansatz können Beobachtungen aus epidemiologischen Studien im Labor überprüft und die Ergebnisse aus dem Labor schneller in die klinische Anwendung überführt werden. Ziel des DZD ist es, die Erkenntnisse der Diabetesforschung möglichst schnell zum Erkrankten zu bringen, um Diabetes vorzubeugen und zu behandeln sowie Folgeerkrankungen zu vermeiden.

Ansprechpartner: 

Prof. Norbert Stefan
Universitätsklinikum Tübingen
Medizinische Klinik, Abteilung IV
Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Otfried-Müller-Straße 10
72076 Tübingen
norbert.stefan@med.uni-tuebingen.de

Pressekontakt:
Birgit Niesing
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
Geschäftsstelle am Helmholtz Zentrum München
Ingolstädter Landstraße 1
85764 Neuherberg
niesing@dzd-ev.de