Professor Dr. Heyo K. Kroemer vertritt im Strategiekreis der Nationalen Dekade gegen Krebs die Deutsche Hochschulmedizin. Von der Erforschung grundlegender Resistenzmechanismen im Rahmen der Dekade erhofft er sich neue wirksame Krebstherapien für Betroffene.
Herr Professor Kroemer, Sie sind Mitglied im Strategiekreis der Nationalen Dekade gegen Krebs (NDK). Welche Veränderungen bei der Bekämpfung von Krebs strebt die Dekade an und was ist aus Ihrer Sicht das Wichtigste, was sie bisher erreicht hat?
Die NDK bietet uns eine einmalige Chance, weil hier alle relevanten Akteure Deutschlands ihre Kräfte im Kampf gegen Krebs bündeln. Gemeinsam wollen wir erreichen, dass möglichst viele Krebserkrankungen verhindert werden und Betroffene ein besseres Leben führen können. Mit einem integrierten Vorgehen können wir die Fortschritte im Rahmen der Tumortherapie weiterverfolgen und gleichzeitig gegen die demografisch bedingt steigende Zahl von Krebserkrankungen vorgehen. Dazu wollen wir als Deutsche Hochschulmedizin einen Beitrag leisten. Meilensteine sind dabei aus meiner Sicht die vier weiteren Nationalen Centren für Tumorerkrankungen (NCT) an universitären Standorten, die im Rahmen der NDK zusätzlich zu den zwei bestehenden etabliert werden sollen. Ihre Besonderheit ist, dass dort die Ergebnisse der Grundlagenforschung direkt in innovative Versorgungskonzepte einfließen. Dabei entstehen maßgeschneiderte Behandlungsansätze auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. Diese enge Verknüpfung von Forschung und Behandlung kommt direkt den Patientinnen und Patienten zugute.
Im Rahmen der Dekade fördert das BMBF diverse Forschungsprojekte für ein besseres Verständnis dieser komplexen Krankheit. An einem der Projekte – HEROES-AYA zur Untersuchung der Ursachen von Tumorheterogenität – ist die Charité Berlin als Universitätsklinik beteiligt. Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich von dem Projekt und welche Chancen sehen Sie grundsätzlich in einem besseren Verständnis der Tumorheterogenität?
Das Projekt HEROES-AYA untersucht am Beispiel der Sarkome die komplexen Evolutionsprozesse in Tumorgeweben, die zu Therapieresistenz führen und insbesondere auch durch zunächst wirksame Therapien ausgelöst werden können. Im Verlauf entwickeln sich Resistenzmechanismen in den Tumorzellen, sodass die Therapien nicht mehr anschlagen. Diese Resistenzmechanismen sind eine der größten Herausforderungen für unsere therapeutischen Strategien gegen den Krebs. Mit einem besseren Verständnis dieser Prozesse hoffen wir auch auf neue therapeutische Ansätze. Ich sehe die Chance, mit der Forschung in diesem Bereich einerseits neue Therapieoptionen für eine besonders vulnerable Gruppe von sehr jungen Patientinnen und Patienten zu finden und andererseits von diesem Modellsystem auch Antworten für andere Tumorentitäten abzuleiten.
Ein weiteres zentrales Thema sind der Umgang mit und die Verfügbarkeit von Daten. In der Medizininformatik-Initiative (MII) des BMBF wurden an den Unikliniken Datenintegrationszentren aufgebaut, um Forschung und Versorgung besser zu vernetzen. Welche Erfahrung haben Sie da gemacht?
Das Ziel der MII ist es, routinemäßig erhobene Behandlungsdaten mit Studiendaten standortübergreifend zu verknüpfen und für die Forschung nutzbar zu machen. Damit sollen Therapie, Diagnose und Prävention von Krankheiten verbessert werden. Die entsprechenden Strukturen dafür sind die Datenintegrationszentren, die an den Universitätsklinika aufgebaut werden. Hier werden IT-Lösungen und Prozesse zur standardisierten Erfassung, Qualitätssicherung und Nutzung von Daten entwickelt und an konkreten Anwendungsfällen getestet. Die MII hat im Bereich Standardisierung und Kooperation bereits Maßstäbe gesetzt, die auch außerhalb des Netzwerks wirken. Sie muss nun weiter mit anderen Strukturen wie der elektronischen Patientenakte verzahnt werden. Es ist sehr wichtig, dass die Universitätsmedizin hier langfristig weiterarbeiten kann.
Mit einem ergänzenden Fördermodul der MII soll in vier Digitalen FortschrittsHubs Gesundheit zu Krebs die an den Unikliniken geleistete Pionierarbeit auf regionale Versorgungsbereiche übertragen werden. Wie werden Betroffene davon profitieren?
In den Digitalen FortschrittsHubs werden die digitalen Lösungen der MII von den Unikliniken auf den niedergelassenen Sektor ausgeweitet. So verknüpfen die Hubs die Datenintegrationszentren zukünftig mit regionalen und ambulanten Partnern wie Krankenhäusern, Arztpraxen, Rettungsdiensten, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen. Auch weitere Forschungseinrichtungen und Krankenkassen sind Partner. Die relevanten Daten eines Patienten stehen damit allen behandelnden Ärztinnen und Ärzten im Gesundheitssystem zur Verfügung. Sie haben so ein Gesamtbild des Krankheitsverlaufs und können die Patientinnen und Patienten optimal und personalisiert behandeln.
Mit den Entwicklungen hin zur personalisierten Medizin werden die Vorstellungen und Anregungen Krebskranker zukünftig noch wichtiger. Die Deutsche Hochschulmedizin hat sich der Allianz für Patientenbeteiligung in der Krebsforschung angeschlossen. Welche Rolle spielen die Patientinnen und Patienten in der Universitätsmedizin und wie sieht ihre Einbindung in Zukunft aus?
Die Universitätsmedizin ist gekennzeichnet durch eine Trias aus Forschung, Lehre und Krankenversorgung. An Universitätskliniken kommen die Erkenntnisse aus der Forschung schnell den Patientinnen und Patienten zugute. Im Rahmen dieser sogenannten Translation und zugleich der Behandlung sehr komplexer Erkrankungen ist die Interaktion mit den Patientinnen und Patienten von außerordentlicher Bedeutung. Wir gehen davon aus, dass dieser Einfluss und die Beteiligung in diesem Bereich noch einmal deutlich zunehmen werden. Deshalb unterstützen wir die Allianz für Patientenbeteiligung in der Krebsforschung nachdrücklich.
Hier informieren Sie sich über die bisherigen Ergebnisse, Akteure und Initiativen in der Nationalen Dekade gegen Krebs.
Ansprechpartnerin:
Alexia Parsons
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Kapelle-Ufer 1
10117 Berlin
alexia.parsons@bmbf.bund.de
www.dekade-gegen-krebs.de