Koordinator:
Prof. Dr. Matthias Bethge
Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik
Spemannstraße 41
72076 Tübingen
Tel.: +49 7071-601535
Unsere Wahrnehmung ist nicht einfach nur eine Kopie der eingehenden Sinnesreize, sondern spiegelt vielmehr eine abstrakte Interpretation derselben wider. Diese Interpretation beruht auf komplizierten Verarbeitungsprozessen, bei denen die Information der Sinnesreize mit spezifischem Vorwissen über die physikalische Beschaffenheit der Welt kombiniert wird. Eine eindrucksvolle Demonstration dafür sind Magic Eye Bilder, bei denen das Gehirn aus zweidimensionalen Mustern eine dritte Dimension errechnet, die wir als Tiefenwahrnehmung erleben. Durch solche künstlichen Beispiele können wir uns spezielle Inferenz-Leistungen des Gehirns bewusst machen: Leistungen, die unser Gehirn im Alltag ununterbrochen erbringt, ohne dass wir es merken - wenn wir uns in einer dreidimensionalen Welt bewegen oder Objekte und ihre Beschaffenheit unabhängig von den Lichtverhältnissen oder ihrer Anordnung erkennen. Um solche Inferenz-Leistungen zu erbringen, müssen relevante und beständige Strukturen und Muster aus extrem komplexen Datensätzen extrahiert werden. Die Tatsache, dass unser Gehirn diese Aufgabe scheinbar mühelos bewältigt, ist umso bemerkenswerter, als dass es bis heute keine Computeralgorithmen gibt, die auch nur annähernd an diese Leistung herankämen.
Im Bernstein-Zentrum Tübingen arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Disziplinen der theoretischen und experimentellen Neurobiologie, des Maschinellen Lernens und der Medizin zusammen, um die Grundlagen dieser Inferenz-Prozesse im Gehirn zu erforschen. Insbesondere besteht ein wichtiger Forschungsschwerpunkt darin, das koordinierte Zusammenspiel der Nervenzellen bei der Informationsverarbeitung zu verstehen. Um dieses Ziel zu erreichen, liefert das Zentrum den Rahmen für interdisziplinäre Kooperationen. Zudem leistet es durch medizinische und technologische Anwendungen einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag.