Expertinnen und Experten der Medizininformatik-Initiative (MII) stellten digitale Lösungen vor, die den medizinischen Fortschritt vorantreiben und die Versorgung verbessern. Zudem diskutierten sie anstehende Herausforderungen der MII.
„Die Pandemie hat die Medizininformatik-Initiative und ihre Protagonisten unvermittelt ins Rampenlicht gerückt und unter größtem Zeitdruck auf eine Bewährungsprobe gestellt“ – und diese Probe habe die MII mit Bravour bestanden, betonte Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), als er am 17. Juni die virtuelle Session der Medizininformatik-Initiative (MII) im Rahmen des Hauptstadtkongresses eröffnete. Seit 2016 baut die MII bundesweit Infrastrukturen auf, die eine standortübergreifende Nutzung von Routinedaten aus der Versorgung für die Forschung ermöglichen. Rund 180 Millionen Euro stellte das Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) dafür bislang zur Verfügung.
Fundament für die medizinische Forschung mit Daten aus der klinischen Versorgung
Die Bedeutung der Digitalisierung und der MII hat sich in der Pandemie insbesondere beim Aufbau des Netzwerks Universitätsmedizin gezeigt. „Ohne die Infrastruktur und das Know-how der Medizininformatik-Initiative wäre der Aufbau der CODEX-Datenbank in so kurzer Zeit nicht gelungen“, sagte Rachel. Die CODEX-Datenbank wurde Anfang 2020 geschaffen, um Daten aus der Versorgung von Covid-19-Erkrankten zusammenzuführen und für die Forschung bereitzustellen. Daraus ergeben sich ganz neue Ansätze für die Erforschung der Krankheit und Entwicklung von Therapien.
Wie ein Katalysator hat die Pandemie die längst auf den Weg gebrachte Digitalisierung in der Gesundheitsforschung und -versorgung vorangetrieben. Immer mehr Menschen knüpfen große Erwartungen an die Digitalisierung: als entscheidende Hilfe dabei, Krankheiten in Zukunft besser zu verstehen und besser behandeln zu können. „Die MII ist das Fundament für die medizinische Forschung mit Daten aus der klinischen Versorgung“, sagte Rachel. Deshalb wird das BMBF dieses wichtige Vorhaben weiter ausbauen.
Mehrwert der MII-Infrastruktur für Forschung und Versorgung
Daten helfen heilen – wie das konkret gelingt, das stellten die Referentinnen und Referenten in einer ersten Podiumsrunde anhand einer Auswahl der MII-Anwendungsfälle vor.
Anwendungsfälle der MII (Auswahl)
Über alle Anwendungsfälle der MII-Konsortien informiert eine interaktive MII-Karte:
https://www.medizininformatik-karte.de/
Um digitale Infrastrukturen für Forschung und Versorgung etablieren und digitale Lösungen bundesweit effizient nutzen zu können, ist neben der Einführung medizinischer Datenstandards auch die bundesweit einheitliche Patienteneinwilligung zur Nutzung von Daten und Biomaterialien für medizinische Forschungszwecke von zentraler Bedeutung. Hier hat die MII wertvolle Pionierarbeit geleistet. Die nächste große Herausforderung sehen die Teilnehmenden der Podiumsrunde darin, die an den Universitätskliniken entwickelten Standards und Innovationen sektorenübergreifend einzusetzen – idealerweise von der Notfallversorgung im Krankenwagen über die stationäre und ambulante Versorgung bis hin zur Rehabilitation und Nachsorge in der Hausarztpraxis. Für den Erfolg dieses Transfers und die Akzeptanz der dafür zu entwickelnden Modelle sei es von zentraler Bedeutung, sich an den Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer im Versorgungsalltag zu orientieren und diese in Entwicklungsprozesse einzubinden. Zudem komme es darauf an, Parallelentwicklungen zu vermeiden und den Patientennutzen kontinuierlich im Blick zu haben.
Nächste Schritte der MII: von der Uniklinik zur Hausarztpraxis
Im zweiten Teil der Session gaben die MII-Fachleute einen Ausblick auf die nächsten Schritte für eine sektorenübergreifende Weiterentwicklung der MII-Strukturen. Dafür pilothafte Lösungen zu entwickeln und zu optimieren – das ist die Aufgabe der sechs Digitalen FortschrittsHubs Gesundheit, die das BMBF von 2021 bis 2025 mit rund 50 Millionen Euro fördert. Die Hubs widmen sich unterschiedlichen Schwerpunkten. So wird beispielsweise im MIDIA-Hub ein Patienten- und Ärzteportal aufgebaut. Dadurch soll die Vernetzung der Universitätskliniken mit nachsorgenden und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten verbessert und die Beteiligung von Patientinnen und Patienten an der Forschung gestärkt werden. Im Hub CEAHR werden Informationen zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen in einer forschungskompatiblen Gesundheitsakte sektorenübergreifend zusammengeführt. Ziel ist es, die Behandlung der Erkrankten zu verbessern und die Kommunikation zwischen den verschiedenen medizinischen Berufsgruppen zu optimieren.
Die folgenden Portraits skizzieren die Ziele der sechs Digitalen FortschrittsHubs:
CAEHR: Die Versorgung von Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen optimieren
MIDIA-Hub: Bessere Nachsorge von Krebserkrankungen, optimierte Therapie gegen Multiple Sklerose
MiHUBx: ein digitales Ökosystem für Forschung, Diagnostik und Therapie
LeMeDaRT: Stadt, Land, Datenfluss
DECIDE: Versorgungsqualität in ländlichen Regionen verbessern
Um digitale Infrastrukturen für Forschung und Versorgung etablieren und digitale Lösungen bundesweit effizient nutzen zu können, ist neben der Einführung medizinischer Datenstandards auch die bundesweit einheitliche Patienteneinwilligung zur Nutzung von Daten und Biomaterialien für medizinische Forschungszwecke von zentraler Bedeutung. Hier hat die MII wertvolle Pionierarbeit geleistet. Die nächste große Herausforderung sehen die Teilnehmenden der Podiumsrunde darin, die an den Universitätskliniken entwickelten Standards und Innovationen sektorenübergreifend einzusetzen – idealerweise von der Notfallversorgung im Krankenwagen über die stationäre und ambulante Versorgung bis hin zur Rehabilitation und Nachsorge in der Hausarztpraxis. Für den Erfolg dieses Transfers und die Akzeptanz der dafür zu entwickelnden Modelle sei es von zentraler Bedeutung, sich an den Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer im Versorgungsalltag zu orientieren und diese in Entwicklungsprozesse einzubinden. Zudem komme es darauf an, Parallelentwicklungen zu vermeiden und den Patientennutzen kontinuierlich im Blick zu haben.
Die MII-Expertinnen und -Experten berichteten von einer hohen Bereitschaft regionaler Krankenhäuser und niedergelassener Ärztinnen und Ärzte, sich an den Hubs zu beteiligen. Sie betonten, dass sich die konkreten Anwendungsfälle der Hubs mit vertretbarem Aufwand für die bessere Versorgung vieler Krankheiten nutzen lassen. So sollen künftig möglichst viele Patientinnen und Patienten deutschlandweit von den digitalen Lösungen profitieren. Bis es soweit sei, brauche es aber noch Zeit. Denn trotz aller bereits erzielten Erfolge ist die MII ein Jahrzehntprojekt, so die Fachleute.
Die forschungskompatible elektronische Patientenakte auf den Weg bringen
In der engagierten Diskussion wurde ein weiterer Punkt deutlich: Die Vernetzung der MII mit der forschungskompatiblen elektronischen Patientenakte, kurz ePA, kann einen entscheidenden Beitrag zur sektorübergreifenden Forschung mit Daten leisten. Ab 2023 haben Versicherte die Möglichkeit, die dort abgelegten Daten freiwillig und pseudonymisiert für die medizinische Forschung bereitzustellen. Wichtig sei nun, die gesetzlich verankerten Möglichkeiten der Nutzung von Versorgungsdaten für die Forschung konsequent und sicher umzusetzen. In diesem Sinne gelte es nun im Dialog mit der Gematik die Weichen für die Nutzung der ePA-Daten durch die Gesundheitsforschung zu stellen.
Umfassender Datenschutz und Datensicherheit sind ein zentraler Erfolgsfaktor der MII und der Digitalen FortschrittsHubs Gesundheit. Die freiwillige und informierte Einwilligung der Patientinnen und Patienten ist die Voraussetzung dafür, dass die Gesundheitsforschung und -versorgung ihre Daten nutzen dürfen. Ihre Einwilligung können die Patientinnen und Patienten jederzeit zurückziehen. Ausgewiesene IT-Expertinnen und -Experten gewährleisten, dass die Einwilligungen sicher elektronisch dokumentiert und sorgfältig verwaltet werden. Bei all dem bindet die MII Datenschutzbeauftragte sowie Patientenorganisationen in ihre Planungen ein.