Verfahren der Künstlichen Intelligenz sollen Daten aus der intensivstationären und ambulanten Versorgung analysieren und helfen, den Verlauf schwerer Erkrankungen genauer zu prognostizieren. Vorbeugende Maßnahmen können dann Neueinweisungen vermeiden.
Nach einer intensivmedizinischen Versorgung – infolge schwerer Operationen oder lebensbedrohlicher Erkrankungen – entwickeln viele Betroffene während der Rehabilitation oder in hausärztlicher Obhut unterschiedliche Symptome. Sie reichen von Atembeschwerden und körperlicher Erschöpfung bis hin zu Depressionsschüben und Gedächtnisstörungen. Medizinerinnen und Mediziner nennen dieses Phänomen „Post Intensive Care Syndrome“, kurz PICS. Häufig müssen die Betroffenen dann abermals stationär aufgenommen werden. Diesen Neuaufnahmen mithilfe digitaler Innovationen in der regionalen Versorgung besser vorzubeugen ist das Ziel des Digitalen FortschrittsHub DISTANCE (Digital Smart Hub for Advanced Connected Care). Die Universitätsmedizin unterstützt dabei Arztpraxen und Krankenhäuser mit ihrer Expertise.
Bessere Datenlage zum Langzeitverlauf kritischer Erkrankungen
Ein entscheidender Schlüssel für die systematische Erforschung des Langzeitverlaufs schwerer Erkrankungen ist eine breite Datenbasis. „Die Datenlage für die Zeit nach der intensivmedizinischen Versorgung wollen wir mit einer von uns entwickelten Smartphone-App nachhaltig verbessern“, sagt Prof. Dr. Gernot Marx. Er koordiniert DISTANCE und ist Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care an der Uniklinik RWTH Aachen. Mit der App können Personen nach einer längeren intensivmedizinischen Betreuung beispielsweise wichtige Vitaldaten sammeln, Symptome oder auch ihr Stressempfinden dokumentieren. „Langfristig wollen wir verschiedenste elektronische Patientendatensätze aus allen Sektoren der Versorgung bündeln – aus der Intensivmedizin, der Rehabilitation und der Ambulanz“, so Marx.
Künstliche Intelligenz unterstützt Risikoanalysen nach intensivmedizinischer Behandlung
Die gesammelten Daten werden anonymisiert und der Gesundheitsforschung zur Verfügung gestellt. „Mit Methoden der Künstlichen Intelligenz können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in diesen Daten noch unbekannte Zusammenhänge zwischen den Symptomen und den Krankheiten ehemaliger Intensivpatientinnen und -patienten aufspüren. Die neuen Erkenntnisse sollen helfen, Risiken und Vorboten eines sich verschlechternden Gesundheitszustandes individuell vorherzusagen“, so Marx. Eine frühzeitige und maßgeschneiderte Behandlung kann erneuten Krankenhauseinweisungen dann wirkungsvoll vorbeugen.
„Self Care“: Achtsamkeit der Patientinnen und Patienten durch IT-Lösungen stärken
Die von DISTANCE entwickelte App unterstützt schon jetzt die medizinische Selbstfürsorge der Menschen im täglichen Leben. Mit der App sammeln die Patientinnen und Patienten nicht nur Daten, die ihre Versorgung und die Gesundheitsforschung unterstützen. Über die App können sie den eigenen Therapieverlauf selbst überblicken. Durch ihren vielfältigen Nutzen leistet die App zudem einen Beitrag dazu, die Akzeptanz der Digitalisierung in der Medizin zu fördern und die Bereitschaft der Menschen zu stärken, ihre Daten der Gesundheitsforschung zur Verfügung zu stellen. Das zeigte bereits eine Vorstudie, die zugleich sicherstellte, dass die App intuitiv nutzbar ist und den Bedürfnissen ehemaliger Intensivpatientinnen und -patienten entspricht.
Koordination:
Beteiligtes Konsortium der Medizininformatik-Initiative:
Partner:
DISTANCE ist einer der sechs 2021 gestarteten Digitalen FortschrittsHubs Gesundheit. Für diese Leitinitiative seiner Digitalstrategie stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis 2025 rund 50 Millionen Euro bereit. Aufgabe der FortschrittsHubs ist es, die Pionierarbeiten der Medizininformatik-Initiative zur Digitalisierung in der Medizin aus den Unikliniken – zunächst in Pilotprojekten – in alle Bereiche des Gesundheitssystems einfließen zu lassen: von der ambulanten Versorgung in der Hausarztpraxis über den stationären Aufenthalt im örtlichen Krankenhaus bis zur Versorgung in Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen.