Dossier

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Ein gebrochenes Herz weist auf großes Leid hin. Und wer etwas auf dem Herzen hat, der ist bedrückt. Unsere Sprache verdeutlicht, wie sehr unser Wohlbefinden davon abhängt, dass der zentrale Motor und das Kreislaufsystem unseres Körpers gesund bleiben.

Ein Arzt hört das Herz eines Patienten mit einem Stethoskop ab.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weit verbreitet und eine große Belastung für die Betroffenen, aber auch für das Gesundheitssystem. Eine frühzeitige Prävention, Erkennung und konsequente Behandlung sind daher von großer Bedeutung.

DLR Projektträger / BMBF

Unter dem Begriff Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße zusammengefasst. Es handelt sich häufig um chronische Erkrankungen, die schwere Folgen haben können, wenn sie nicht konsequent behandelt werden.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind für über ein Drittel aller Todesfälle verantwortlich und die Sterblichkeit an diesen Erkrankungen ist höher als an Krebs. So zählt das Statistische Bundesamt unter den zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland allein fünf Herzerkrankungen.

Dank neuer Untersuchungs- und Therapieverfahren hat sich die Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland in den vergangenen Jahren jedoch deutlich verbessert. Sowohl die Erkrankungshäufigkeit als auch die Sterblichkeit gehen zurück.

Auch wenn das Spektrum der Herz-Kreislauf-Erkrankungen breit ist, so sind es einige wenige Erkrankungen, die den größten Anteil daran ausmachen. Aufgrund ihrer besonders weiten Verbreitung sieht das Robert-Koch-Institut vor allem die koronare Herzkrankheit, den Herzinfarkt und den Schlaganfall als besonders bedeutsam für das Gesundheitswesen an. Eine koronare Herzkrankheit bezeichnet eine Verengung der Herzkranzgefäße, die der Durchblutung des Herzmuskels dienen. Eine Durchblutungsstörung des Herzens ist die Folge. Gefäßveränderungen führen bei einigen Menschen dazu, dass sich Blutgefäße verschließen. Passiert das am Herzen, erleiden die Betreffenden einen Herzinfarkt. Ein Gefäßverschluss im Gehirn führt zu einem Schlaganfall.

Manche dieser Erkrankungen stehen mit Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Fettleibigkeit und Diabetes in enger Verbindung und entwickeln sich im Laufe von Jahren, auch beeinflusst durch einen ungesunden Lebensstil. Das BMBF fördert deshalb die Erforschung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, um die Diagnose, Behandlung und Prävention stetig zu verbessern.

Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)

Zentraler Baustein der BMBF-Förderstrategie ist das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), das im Jahr 2012 gegründet wurde. Im DZHK forschen heute mehr als 1.400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – verteilt auf rund 30 Partnereinrichtungen. Über die Grenzen von Institutionen und Fachdisziplinen hinweg arbeiten sie gemeinsam daran, neue Möglichkeiten der Prävention, Diagnostik und Therapie zu entwickeln. Als eines der derzeit sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung will auch das DZHK vor allem eines erreichen: Neue Forschungsergebnisse sollen den Patientinnen und Patienten schneller als bisher zugutekommen.

 

Länger gut leben – Projekte des DZHK tragen dazu bei

Aufnahme eines Mitralklappenstents.

Kleine Klappe, großer Erfolg: Dieser sogenannte Mitralklappenstent wurde zum Einsatz in allen EU-Ländern zugelassen.

Tendyne, Abbott

Die Forschung im DZHK soll dazu beitragen, dass weniger Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben und dass die Lebensqualität der Betroffenen sich verbessert. So hat die DZHK-Forschung beispielsweise einer neuartigen Herzklappentechnologie den Weg in die Anwendung geebnet. Diese sogenannte Mitralklappe lässt sich minimalinvasiv, also ohne Öffnen des Brustkorbes am schlagenden Herzen einsetzen. Sie hilft damit Menschen mit Herzinsuffizienz, bei denen die Klappe nicht richtig schließt und deshalb bei jedem Herzschlag Blut in den linken Vorhof zurückfließt. In der Folge werden die Organe nicht mehr mit ausreichend sauerstoffreichem Blut versorgt und es kommt zu einer eingeschränkten Lungenfunktion.

Europäische Zulassung für Kieler Herzklappentechnologie

Aufnahme von zwei künstlichen Herzgeweben in unterschiedlicher Größe.

Aus Stammzellen hergestelltes Herzmuskelgewebe, umgangssprachlich „Herzpflaster“ genannt, eröffnet neue Möglichkeiten der Therapie von Herzschwäche.

Universitätsmedizin Göttingen / hzg

Ein weiteres aktuelles Forschungsprojekt befasst sich ebenfalls mit Herzinsuffizienz. DZHK-Forschende untersuchen, unter welchen Bedingungen künstliches Herzgewebe sicher eingesetzt werden kann. Dazu soll das im Labor aus körpereigenen Stammzellen gezüchtete Gewebe auf dem Herzmuskel implantiert werden und so dessen Pumpkraft stärken. Für Patienten mit einer schweren Herzschwäche könnte dieser Therapieansatz einer Herztransplantation vorbeugen und sie damit unabhängig von einem Spenderorgan machen.

Starkes Pflaster für schwache Herzen

 
Grafische Darstellung der Wirkweise eines Ballonkatheters.

Über sogenannten Ballonkatheter könnte der Wirkstoff direkt an die geschädigte Gefäßwand gebracht werden und so einen chirurgischen Eingriff vermeiden.

DZHK

Sind die Gefäßwände der Hauptschlagader im Bauchraum geschwächt, kann es zu lebensgefährlichen Rissen kommen. Das Molekül miR-29b ist maßgeblich an der Schädigung der Gefäßwand beteiligt. Ein weiteres DZHK-Projekt will ermitteln, ob Hemmstoffe gegen dieses Molekül die Entstehung der Gefäßaussackungen verhindern können. Der Clou dabei ist, dass das Medikament durch einen Ballonkatheter direkt an die geschädigte Gefäßwand gebracht werden und dort seine heilende Wirkung entfalten kann. Für die Patienten wäre das ein großer Vorteil im Vergleich zur Standardtherapie, der mit einem chirurgischen Eingriff und intensiver Nachsorge verbunden ist.

Ballonkatheter setzt Medikamente direkt an geschädigter Gefäßwand frei

Netzwerke stärken, innovative Projekte fördern – weiteres Engagement des BMBF

Neben dem DZHK fördert das BMBF seit vielen Jahren kontinuierlich die Forschung zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bundesweit initiierte das BMBF sogenannte Kompetenznetze, drei davon zu den Themen Angeborene Herzfehler, Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern. Die Kompetenznetze hatten zur Aufgabe, interdisziplinäre Gesundheitsforschung auf höchstem Niveau zu ermöglichen. Ein Kernprojekt des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler ist beispielsweise das „Nationale Register für angeborene Herzfehler“, in dem rund 50.000 Menschen mit angeborenen Herzfehlern registriert sind. Das Register sammelt systematisch Patientendaten und -proben für die Forschung und ist damit eine der größten Forschungsdatenbanken in Europa. Die Daten helfen dabei, Diagnostik und Therapie von angeborenen und erworbenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern.

Mit den Integrierten Forschungs- und Behandlungszentren (IFB) hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) an Universitätskliniken Modellzentren zu wichtigen Krankheitsbereichen aufgebaut. In den Zentren werden Forschung und Patientenversorgung eng verzahnt, damit die Ergebnisse aus der Forschung schneller dem Menschen zu Gute kommen. Drei der insgesamt acht IFBs forschen im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen – beispielsweise zu den Themen Herzinsuffizienz, Thrombose und Schlaganfall.

Auch in der Förderrichtlinie „Klinische Studien mit hoher Relevanz für die Patientenversorgung“ werden Projekte gefördert, die sich eine Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Ziel gesetzt haben. Ein Beispiel dafür ist die PPCM-Studie, die zeigte, dass ein handelsübliches Abstillmedikament Patientinnen vor einer seltenen, aber lebensbedrohlichen Herzerkrankung nach der Schwangerschaft schützen kann.

Grafische Darstellung des Roten Fingerhutes.

Digitoxin wird aus den Blättern des Roten Fingerhutes (Digitalis purpurea) gewonnen. Aus zehn Kilogramm Fingerhutblättern lassen sich sechs Gramm Digitoxin isolieren.

MHH, Klinik für Kardiologie und Angiologie

Die weit verbreitete Herzschwäche (Herzinsuffizienz) ist heute dank einer modernen Arzneimitteltherapie mit Wirkstoffen wie beispielsweise ACE-Hemmern und Betablockern relativ gut behandelbar. Dennoch gibt es Bedarf an zusätzlichen Behandlungsmöglichkeiten. Forschende untersuchen deshalb im Rahmen der DIGIT-HF-Studie, ob und wie der Wirkstoff Digitoxin, der ursprünglich aus der heimischen Waldpflanze Roter Fingerhut gewonnen wurde, bei Herzinsuffizienz eingesetzt werden kann.

Daten teilen, Fach- und Hausärzte sowie Betroffene vernetzen, Gesundheitsdaten selbst erheben – die Digitalisierung wird auch in der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen große Vorteile bringen. Die Medizininformatik-Initiative (MII) ist die zentrale Fördermaßnahme des BMBF, um die Chancen der Digitalisierung in der Medizin für Versorgung und Forschung bestmöglich zu nutzen. Im Bereich Kardiologie wird das MII-Konsortium HiGHmed Daten von tragbaren, implantierten oder vernetzten Geräten in die IT-Architektur von Datenzentren integrieren. In den Digitalen FortschrittsHubs der MII werden modellhafte Lösungen für den Transfer digitaler Innovationen in die regionale Versorgung entwickelt. Der FortschrittsHub Gesundheit CAEHR zeigt beispielhaft an verschiedenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf, wie die Digitalisierung in der Medizin die Versorgungslage im Alltag verbessern kann.

Die europäische Perspektive

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt transnationale Forschungskonsortien zur Erforschung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Europäische Netzwerk Herz-Kreislauf-Erkrankungen („ERA-NET Cardiovascular Diseases“, kurz: ERA-CVD) vereint aktuell 24 Partner aus unterschiedlichen europäischen Ländern. Ihr gemeinsames Ziel ist es, sowohl neue als auch bereits vorhandene Forschungsaktivitäten und -programme der beteiligten Länder im Bereich Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu koordinieren. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert dabei die Beteiligung der deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer Vielzahl von Konsortien. Ein Beispiel für den interdisziplinären Ansatz der ERA-CVD-Verbundprojekte ist das Forschungsvorhaben „Plaquefight“: In diesem Verbund mit einem französischen, italienischen und polnischen Partner und einem deutschen Koordinator untersuchen Forschende erstmals, inwiefern Wechselwirkungen zwischen Nerven- und Immunsystem chronische Entzündungen der Gefäßwand auslösen und damit zu Herzinfarkten und Schlaganfällen beitragen können. 

Auch das Europäische Netzwerk zur Personalisierten Medizin („European Research Area Network for Personalised Medicine“, kurz: ERA PerMed) nimmt Themen aus dem Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den Blick. Die Personalisierte Medizin setzt Verfahren wie beispielsweise Analysen des Erbguts, medizinische Bildgebung und die Auswertung von Lebensstildaten ein, um spezifisch für jeden Menschen maßgeschneiderte Behandlungsstrategien oder Präventionsansätze anzubieten. Das Verbundprojekt „PROCEED“ sucht beispielsweise durch Erbgutanalysen nach genetischen Veränderungen, die zu einem angeborenen Herzfehler führen können. In Zukunft können die Arbeiten dazu beitragen, das persönliche Risiko von Betroffenen besser abzuschätzen und insbesondere Schwangere gezielt zu beraten.

Auch das „MATCH“-Konsortium arbeitet an neuen, innovativen Methoden zur Individualisierung der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen: In diesem Verbund suchen die Forschenden nach Biomarkern, die Hinweise darauf geben, welche individuelle medikamentöse Therapie Menschen mit einer koronaren Herzerkrankung benötigen.

Ergebnisse der Gesundheitsforschung

Die Studienleiter der DIGIT-HF-Studie an der Medizinischen Hochschule Hannover, Prof. Dr. Udo Bavendiek (links) und Prof. Dr. Johann Bauersachs.

Neue Chance für eine alte Herzensangelegenheit

Die DIGIT-HF-Studie trägt dazu bei, die Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit Herzschwäche zu erweitern.

Zwei Personen sitzen neben einem betäubten Braunbären und nehmen ihm Blut ab

Braunbären liefern Hinweise auf Thrombose-Schutzmechanismus

Trotz Winterschlaf geschützt: Braunbären nutzen einen Mechanismus, der die Bildung von Blutgerinnseln verhindert.

Arzt untersucht das Herz eines Patienten mit einem Stethoskop.

Neuer Mechanismus entdeckt, der zu Herzrhythmusstörungen bei Herzschwäche führt

Forschende vom DZHK-Standort Göttingen haben in einem Gewebemodell einen Mechanismus aufgedeckt, der bei Herzschwäche-Patienten zu Herzrhythmusstörungen führt.

Eine Ärztin sitzt vor einem Ultraschallgerät und schallt die Brust eines Mannes. der neben ihr auf einer Liege liegt

Herzinfarkt: Narbenbildung steuern, Folgeschäden verringern

DZHK-Forschende untersuchten, wie sich die Narbenbildung nach einem Herzinfarkt – und damit auch Folgeschäden – verringern lassen.