Die neuen Methoden der Genomchirurgie ermöglichen Züchtungserfolge, die durch konventionelle Methoden nur mit deutlich mehr Aufwand und Zeit erzielt werden könnten. Doch gehen mit diesen Techniken auch neue Risiken einher?
Ethische, rechtliche und soziale Aspekte einer produktbezogenen Regulierung neuer Züchtungstechniken bei Pflanzen
Die Umweltpolitik in Deutschland folgt dem Vorsorgeprinzip. Dieses besagt unter anderem, dass der Umweltschutz durch Vorsorge und Planung verhindern soll, dass Schäden überhaupt entstehen. Wie dieses Vorsorgeprinzip auf die neuen genomchirurgischen Züchtungstechniken anzuwenden ist, bleibt umstritten. Bislang konnte beispielsweise noch nicht geklärt werden, ob durch den Einsatz dieser Techniken neue Risiken entstehen. Und falls ja, welche.
In der Klausurwoche „Jenseits des Vorsorgeprinzips?“ wurden zunächst die rechtlichen Regularien sowie die Debattenlage in Deutschland und Großbritannien näher betrachtet. Dafür kamen Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aus den Bereichen der Lebens-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie der Ethik zusammen. Gemeinsam diskutierten sie eingehend die Rolle des Vorsorgeprinzips bei der Risikobewertung neuer Technologie-Anwendungen in der Pflanzenzucht. Wer muss zum Beispiel nachweisen, ob von genetisch veränderten Pflanzen und Tieren Risiken ausgehen? Und inwieweit muss der Einsatz dieser Techniken in der Züchtung kontrolliert werden? Im Laufe der Klausurwoche wurden darüber hinaus alternative Modelle zur Produkt-Kennzeichnung gentechnisch veränderter Organismen diskutiert.
Es gab lebhafte Debatten darüber, ob das Vorsorgeprinzip ein letztlich unwissenschaftliches Paradigma für politische Entscheidungen darstellt, das durch übermäßige Vorsicht bestimmte Grundrechte unserer Gesellschaft, beispielsweise die Wahlfreiheit des Verbrauchers, einschränkt und wertvolle Innovationen verhindert.
Dagegen wurde argumentiert, dass Vorsichtsmaßnahmen nicht notwendigerweise Innovationen verhindern. Oftmals ist es ratsam – gestützt auf wissenschaftliche Risikoforschung – die Entwicklung einer Technologie soweit zu verzögern, bis sie ausgereift ist und den gestellten Anforderungen und Ansprüchen wirklich gerecht werden kann. Nach dieser Auffassung muss das Vorsorgeprinzip in einen holistischen Ansatz integriert werden, in dem wünschenswerte Entwicklungen, beispielsweise für eine nachhaltigere Landwirtschaft oder erhöhte Resilienz in der Lebensmittelproduktion, evaluiert werden und der Beitrag einer neuen Technologie an diesen Entwicklungspfaden gemessen wird.
Weitere Informationen: https://www.pflanzen-forschung-ethik.de/ethik/vorsorge.html
Förderinitiative: Forschungsverbünde und Klausurwochen zu ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten moderner Verfahren der Genom-Editierung und deren möglicher Anwendungen
Projektvolumen: 80.164 Euro
Projektlaufzeit: 2016–2018
Projektleitung:
Dr. Stephan Schleissing
Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München
Katharina-von-Bora-Str. 11
80333 München
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