Rheumatische Erkrankungen können Kinder stark belasten. Ein vom BMBF geförderter Forschungsverbund sucht nach Biomarkern, damit Betroffene mit Verdacht auf einen schweren Verlauf schnell identifiziert und gezielt behandelt werden können.
Wer Rheuma hört, denkt zunächst eher an ältere Patientinnen und Patienten. Doch jedes Jahr erkranken in Deutschland auch rund 1.200 Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre an der sogenannten Juvenilen Idiopathischen Arthritis (JIA). Trotz großer Erfolge in der Arzneimittelentwicklung können manche der betroffenen Kinder bislang nicht von ihrer rheumatischen Erkrankung geheilt werden. Sie müssen langfristig medikamentös behandelt werden. Ein Teil dieser Kinder hat zudem ein hohes Risiko, dauerhaft körperlich eingeschränkt zu sein, weil es im Krankheitsverlauf zu bleibenden Schäden an Gelenken und Organen oder auch zu Wachstumsstörungen kommen kann. Forschende aus fünf Ländern haben sich deshalb unter Federführung von Prof. Dr. Klaus Tenbrock vom Universitätsklinikum Aachen im Forschungsverbund PerMIDRIAR zusammengeschlossen, um durch eine gemeinsame Studie neue Biomarker für einen möglichen schweren Verlauf der Krankheit ausfindig zu machen.
Ziel ist es, diese besonders gefährdeten Kinder schneller zu identifizieren und personalisiert – also gezielter – zu behandeln. „Uns stehen heute bereits einige gute Wirkstoffe gegen rheumatische Erkrankungen bei Kindern zur Verfügung“, so Tenbrock. „Aber circa 20 Prozent der Betroffenen erleiden immer wieder Rückfälle und benötigen andere Medikamente als die Standardtherapie – hier müssen wir schneller und besser werden, damit diese Kinder innerhalb des kritischen Zeitfensters des Heranwachsens so erfolgreich wie möglich behandelt werden können.“
Das Projekt PerMIDRIAR wird bis zum Jahr 2024 international mit rund einer Million Euro gefördert, wobei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) rund 300.000 Euro im Rahmen des ERA-Netzes Personalisierte Medizin (ERA-PerMed) zur Verfügung gestellt werden. Am häufigsten tritt bei Kindern und Jugendlichen Gelenkrheuma auf, eine chronische Gelenkentzündung, die in der Fachsprache als „Juvenile Idiopathische Arthritis“ (JIA) bezeichnet wird. Bei der JIA gerät das Immunsystem außer Kontrolle und richtet sich nicht nur gegen Krankheitserreger, sondern auch gegen körpereigene Strukturen; die Auslöser für diesen Prozess sind noch weitgehend unbekannt. Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 1.200 Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre an JIA. Früh erkannt können rheumatische Erkrankungen gestoppt oder zumindest günstig beeinflusst werden – je eher behandelt wird, desto größer sind die Erfolgsaussichten.
Auf der Suche nach dem Muster, das auf einen schweren Verlauf hinweist
Zurzeit gibt es zum Krankheitsbeginn der JIA weder beweisende Laborwerte noch einen typischen Röntgen- oder Ultraschallbefund. Die Diagnose ergibt sich wie ein Puzzle vor allem aus der Krankengeschichte und der klinischen Untersuchung, die durch laborchemische oder bildgebende Befunde ergänzt werden können, zum Beispiel der Kernspintomographie und Sonografie. Auch Erkrankungen in der Familie können für die Diagnosestellung einer JIA relevant sein.
„Wir möchten eine verlässliche Biosignatur finden, auf die alle Kinder und Jugendlichen am Anfang einer Therapie getestet werden – zeigen die Ergebnisse dann ein bestimmtes Muster, kann dies darauf hindeuten, dass hier frühzeitig hochwirksame Medikamente wie beispielsweise die teureren Biologika eingesetzt werden sollten, um die Krankheit möglichst schnell in den Griff zu bekommen. Man spricht hier von einem ,window of opportunity‘ frühzeitig im Krankheitsverlauf“, sagt Tenbrock. Auch könnten im Rahmen der Studie völlig neue Therapieziele identifiziert werden, für die dann Wirkstoffe entwickelt oder bekannte Medikamente außerhalb ihrer bisherigen Zulassung eingesetzt werden.
Auch gesellschaftliche Faktoren können eine Rolle spielen
Die Studie schließt rund 50 junge Patientinnen und Patienten ein, die auf Standardtherapien nicht oder nur unzureichend angesprochen haben. Diese werden mit einer entsprechend großen Gruppe verglichen, bei denen die Standardtherapie geholfen hat. „Gibt es Unterschiede in den Immunzellen oder in bestimmten Entzündungswerten? Was ergeben Protein- und RNA-Analysen? Können wir bestimmte Signalwege identifizieren?“, fasst Tenbrock einige Leitfragen des Projektes zusammen. Auch gesellschaftliche Faktoren nehmen die Forschenden in ihrer Studie ins Visier, denn noch ist unklar, ob Rückschläge in der Behandlung allein auf klinische Faktoren zurückzuführen sind. Deshalb werden beispielsweise auch die Bereitschaft der Eltern, die Behandlung des Kindes aktiv zu unterstützen, ihre sozio-ökonomische Situation sowie die Verfügbarkeit bestimmter Medikamente im jeweiligen Gesundheitssystem in die internationale Studie einfließen, an der neben Ärztinnen und Ärzten in Deutschland auch solche in den Niederlanden, Schweden, Italien und Kanada beteiligt sind.
Am 12. Oktober ist Welt-Rheuma-Tag
Der Welt-Rheuma-Tag wurde 1996 von Arthritis and Rheumatism International (ARI) ins Leben gerufen, der internationalen Vereinigung von Selbsthilfeverbänden Rheumabetroffener. Ziel ist es, die Anliegen rheumakranker Menschen an diesem Tag in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Die Deutsche Rheuma-Liga hat den Jahrestag in Deutschland erstmals 2005 eingeführt und bietet, wie auch weitere Selbsthilfegruppen und Interessenverbände, Fachvorträge zum Thema an.