04.02.2025

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Liquid Biopsy: Im Blut Krebsrückfälle bei Kindern erkennen

Neuroblastome sind aggressive Tumoren bei Kindern. Da der Krebs zurückkehren kann, ist eine enge Kontrolle lebenswichtig. Mit Förderung durch das BMBF haben Forschende ein Frühwarnsystem entwickelt, das im Blut Spuren von Krebs-Erbgut aufspürt.

Blutproben in einer Zentrifuge

Blutproben in einer Zentrifuge: Bereits in wenigen Tropfen der Körperflüssigkeit lassen sich molekulare Spuren der Krebserkrankung nachweisen.

Charité / Arne Sattler

Neuroblastome sind schwerwiegende Krebserkrankungen, die vor allem die Kleinsten betreffen: Etwa 150 Säuglinge und Kleinkinder erkranken hierzulande jährlich neu an den bösartigen Tumoren. Sie entstehen aus Zellen des embryonalen Nervensystems. Meist bilden sie sich entlang der Wirbelsäule oder in der Nebenniere aus.

Die Krebserkrankung verläuft sehr unterschiedlich. Etwa die Hälfte der Neuroblastome ist besonders aggressiv, sie bilden schnell Metastasen im Körper. Auch nach einer intensiven Therapie können sie wieder auftreten. In diesem Fall sind die Überlebensaussichten der kleinen Patientinnen und Patienten sehr gering.

Bedrohliche Rückfälle frühzeitig erkennen

„Kinder mit einem solchen Hochrisiko-Neuroblastom benötigen daher unsere ganz besondere Aufmerksamkeit“, sagt Privatdozentin Dr. Hedwig Deubzer. Die Kinderärztin ist stellvertretende Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Hier ist in den vergangenen Jahren ein wichtiges Zentrum für Neuroblastom-Forschung entstanden. Auch die deutsche Studienzentrale zum Hochrisiko-Neuroblastom ist an der Charité verankert.

Besonders fürchten betroffene Familien und Behandelnde, dass der Krebs nach der rund 14-monatigen Therapie wieder zurückkehrt. Ausgelöst wird das erneute Wachsen durch eine geringe Anzahl von Tumorzellen, die die Behandlung überleben. Diese sogenannte minimale Resterkrankung frühzeitig zu erkennen – möglichst noch bevor sie zu Rückfällen führt – ist das große Ziel des Teams um Hedwig Deubzer, die auch zum Berliner Standort des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) gehört.

Wenige Tropfen Blut reichen für einen Test

Voraussetzung dafür ist eine kontinuierliche und engmaschige Überwachung mithilfe schonender Diagnostikmethoden. Mehrere chirurgische Eingriffe zur Gewebeentnahme wären für die Betroffenen viel zu belastend. Eine vielversprechende Alternative zur Gewebeanalyse bieten sogenannte Flüssigbiopsien. In der Fachwelt sind sie auch unter dem englischen Begriff „Liquid Biopsy“ bekannt. Das Probenmaterial für dieses Verfahren wird aus Blut, Knochenmark, Urin oder dem Nervenwasser der Patientinnen und Patienten gewonnen.

Portrait PD Dr. Hedwig Deubzer

PD Dr. Hedwig Deubzer ist stellvertretende Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. 

Hedwig Deubzer 

„Wir benötigen nur wenige Tropfen Blut für unsere Analysen“, sagt Hedwig Deubzer. Mittels molekularbiologischer Techniken und leistungsfähiger Bioinformatik lassen sich etwa im Blut Tumor-DNA-Bruchstücke und Spuren anderer Biomoleküle aufspüren. Die Krebszellen geben diese in die Körperflüssigkeiten ab.

Forschungsverbund mit Partnern aus sechs EU-Ländern

Doch eignet sich die neuartige Technologie auch für die Diagnostik von Hochrisiko-Neuroblastomen? Das hat der internationale Forschungsverbund „Liquidhope“ erforscht. Das von Deubzer koordinierte Konsortium mit Forschenden aus insgesamt sechs Ländern wurde durch das europäische Fördernetzwerk für translationale Krebsforschung TRANSCAN unterstützt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das deutsche Teilprojekt von 2019 bis 2022 mit rund 270.000 Euro gefördert.  

Die Forschenden im Liquidhope-Konsortium konnten erfolgreich zeigen, dass sich Tumor-DNA in Flüssigbiopsien gut und frühzeitig nachweisen lässt. „Wir können die Krankheitsaktivität im Patienten so viel genauer erfassen als bisher“, sagt Deubzer. Das helfe zu verstehen, ob ein Kind geheilt sei oder noch weiter behandelt werden müsse.

TRANSCAN – EU-Netzwerk für innovative Krebsmedizin

TRANSCAN ist ein ERA-NET für translationale Krebsforschung: Die beteiligten 28 öffentlichen und privaten Förderorganisationen unterstützen die Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen, um Fortschritte in der Krebsforschung schneller in die Praxis umzusetzen. Das BMBF ist seit 2011 an dem EU-Netzwerk mit seinen regelmäßig wiederkehrenden Förderausschreibungen beteiligt. Dem von PD Dr. Hedwig Deubzer koordinierten Verbund zur Neuroblastom-Forschung „Liquidhope“ gehörten Partner aus Deutschland, Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Spanien an. Das gesamte Förderbudget des Konsortiums belief sich auf 1,5 Millionen Euro. Ein Folgeprojekt im Rahmen von TRANSCAN wird ebenfalls von der Berliner Kinderonkologin koordiniert. „Explore-NB“ wird in Flüssigbiopsien insbesondere nach epigenetischen Spuren von Neuroblastomen fahnden.

Rückfälle um Monate früher erkennbar

Ein weiteres ermutigendes Ergebnis: „Wir konnten Rückfälle auf molekularer Ebene etwa drei Monate vor Auftreten klinischer Symptome erkennen“, betont Deubzer. „Das klingt erstmal nicht viel, aber dieser Zeitgewinn spielt eine riesengroße Rolle für das individuelle Kind“, sagt sie. Bei mehreren ihrer Patientinnen und Patienten habe das Frühwarnsystem bereits Alarm geschlagen, obwohl es bis dahin keine Anzeichen eines Krankheitsfortschrittes gab.

Noch wird das Verfahren an der Charité vor allem im Rahmen der Begleitforschung in klinischen Studien eingesetzt. Deubzer geht davon aus, dass sich die Flüssigbiopsie sehr gut für die klinische Routine eignet. Bis es so weit ist, müsse das Verfahren aber erst noch in klinischen Studien mit großen Patientengruppen erprobt und überprüft werden.

„Wir wissen noch zu wenig darüber, welche klinischen Schlussfolgerungen und Entscheidungen wir aus unseren Testbefunden ableiten können“, so die Forscherin. Aufbauend auf dem Liquidhope-Konsortium ist daher mit Förderung durch die EU nun europaweit eine klinische Studie namens MONALISA gestartet, in der der Einsatz der Flüssigbiopsie-Analyse bei 150 Neuroblastom-Betroffenen erprobt wird. Schon jetzt ist Hedwig Deubzer davon überzeugt: In der personalisierten Krebsmedizin der Zukunft wird die Flüssigbiopsie eine wichtige Rolle spielen.

Der 4. Februar ist Weltkrebstag

Auch in diesem Jahr wird weltweit mit dem Weltkrebstag auf eine Volkskrankheit aufmerksam gemacht, die besonders häufig starke Beschwerden und Todesfälle verursacht. Der Aktionstag wird seit dem Jahr 2000 von der Union for International Cancer Control (UICC) organisiert. Mit Sitz in Genf setzt sie sich mit ihren rund 1.100 Mitgliedern aus mehr als 170 Ländern dafür ein, über Krebs aufzuklären und für eine regelmäßige Vorsorge zu werben. Das diesjährige Motto „United by Unique“ unterstreicht, dass an Krebs Erkrankte zwar durch ihre Diagnose verbunden sind, aber gleichzeitig jeder Einzelne eine einzigartige, individuelle Krebserfahrung besitzt.