Pandemien gezielt bekämpfen mit Mathematik

Das Modellierungsnetz MONID entwickelt präzise Vorhersagen zur Ausbreitung von Infektionskrankheiten und liefert wichtige Handlungsimpulse für Politik und Gesundheitswesen. So ist Deutschland besser auf künftige Pandemien vorbereitet.

Ein Mann im Kittel steht vor einer Wand, auf der auf vielen Bildschirmen Daten und Bilder angezeigt werden (KI generiert)

Kompass in der Krise: Mathematische Modelle verknüpfen vorhandenes Wissen, machen es interpretierbar und ermöglichen Vorhersagen über die Ausbreitungsdynamiken schwerer Infektionskrankheiten.“

Xingguo – stock.adobe (KI generiert)

In einer globalisierten Welt können sich Infektionskrankheiten rasant ausbreiten. Pandemien wie COVID-19 oder schwere Grippewellen verursachen nicht nur erhebliche gesundheitliche, sondern auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden. Um solche Krisen wirksam bekämpfen zu können, muss man ihre Dynamik verstehen und mögliche Entwicklungen voraussehen können. Genau hier setzt das Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten, kurz MONID, an: Führende Expertinnen und Experten entwickeln gemeinsam Vorhersagemodelle für verschiedene gefährliche Erreger. Diese Modelle liefern im Ernstfall entscheidende Hinweise dazu, wie sich eine Infektionswelle entwickeln könnte und welche Gegenmaßnamen am effektivsten sind.

Die Forschungsverbünde greifen vielfältige Fragen auf: Was verrät die Überwachung des Abwassers über die Ausbreitung von Infektionen? Welchen Effekt haben Impfempfehlungen? Und wie beeinflussen Fehlinformationen im Internet das Verhalten der Bevölkerung?

Um diese und weitere Aspekte zu untersuchen, vereint MONID Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedensten Disziplinen. Je mehr Daten – etwa aus der Epidemiologie, Virologie oder Soziologie – in die Modelle einfließen, desto genauer können die Vorhersagen sein.

Ansprechpartner für Politik und Gesundheitswesen

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) unterstützt MONID seit 2022 mit mehr als 14 Millionen Euro und dem Ziel, die Modellierungskompetenz in Deutschland nachhaltig zu stärken. Die Förderung ermöglicht nicht nur die Entwicklung verbesserter Vorhersagemodelle, sondern auch den Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Praxis. MONID dient als Ansprechpartner für Entscheidungsträger aus Politik und Gesundheitswesen und liefert die Grundlagen für konkrete Handlungsempfehlungen. So trägt das Netzwerk entscheidend dazu bei, dass Deutschland auf künftige Gesundheitskrisen besser vorbereitet ist.

Das BMBF bereitet eine weitere Förderrunde vor, die den thematischen Fokus des Netzwerks erweitert. So nehmen die Forschenden künftig auch Infektionskrankheiten in den Blick, die etwa durch Parasiten oder multi-resistente Erreger übertragen werden. Gefahren, die in Folge des Klimawandels sowie der erhöhten Antibiotika-Nutzung weiter zunehmen.

Die sieben Forschungsverbünde des Modellierungsnetzes MONID

MODUS-Covid: Der Infektionsausbreitung auf der Spur

Der Forschungsverbund MODUS-Covid untersucht, wie sich Maßnahmen zur Eindämmung auf das Infektionsgeschehen auswirken. Im Mittelpunkt stehen dabei sogenannte nicht-pharmazeutische Maßnahmen wie Schulschließungen oder Maskenpflicht. Mit der Verfügbarkeit erster Impfstoffe gegen COVID-19 haben die Forschenden den Fokus zudem auf die Simulation verschiedener Impfstrategien erweitert. Ziel des Projekts ist es, fundierte Entscheidungsgrundlagen für Politik und Gesundheitswesen zu schaffen, um schwere Infektionswellen besser zu kontrollieren.

Eine Besonderheit des Forschungsprojekts ist der Einsatz des agentenbasierten Modells „episim“, das aus der Mobilitätsforschung stammt. Dieses Modell kann die Mobilität einzelner Personen, ihre täglichen Aktivitäten und ihr Kontaktverhalten simulieren. Ergänzt wurde dieses Modell durch ein Infektionsmodul, das die Dynamik von COVID-19 berücksichtigt. So lässt sich nachvollziehen, wie sich Infektionen ausbreiten. Mit Hilfe des Supercomputers am Zuse-Institut Berlin konnten die Forschenden tausende Szenarien parallel berechnen und die Effekte von Maßnahmen in Szenarien-Studien simulieren.

Zu den zentralen Ergebnissen von MODUS-Covid gehört eine detaillierte Analyse, welche Aktivitäten etwa bei der Arbeit oder in der Freizeit besonders stark zur Ausbreitung von Infektionen beitragen können. Die Forschungsergebnisse hatten direkten Einfluss auf die Praxis: So hat der Forschungsverbund etwa während der COVID-19-Pandemie eng mit dem Gesundheitsamt Köln zusammengearbeitet, um den Nutzen von lokalen Maßnahmen wie Ausgangssperren besser einschätzen zu können. Künftig wollen die Forschenden ihr Modell weiter optimieren. Dank der modularen Struktur können neue Erkenntnisse jederzeit integriert werden.

Weitere Informationen:
Prozesse verstehen und verständlich erklären

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MODUS-Covid (MONID-Website)
Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten (MONID)

PD Dr. Tim Conrad, Verbundpartner im Projekt MODUS-Covid

OptimAgent: Gesellschaftliche Vielfalt simulieren

Wie lassen sich Schutzmaßnahmen in einer Pandemie optimal planen? Diese Frage steht im Mittelpunkt des Forschungsprojekts OptimAgent. Ziel ist die Entwicklung eines Modells, das die Auswirkungen verschiedener Maßnahmen bereits vor ihrer Umsetzung simulieren kann. Dadurch sollen gesundheitspolitische Entscheidungen effektiver und transparenter gestaltet werden.

Herzstück des Projekts ist das German Epidemic Microsimulation System, kurz GEMS – ein innovatives, agentenbasiertes Modell, das über bestehende Simulationstechniken hinausgeht. GEMS bildet die deutsche Bevölkerung realitätsnah ab, inklusive sozialer, wirtschaftlicher und psychologischer Faktoren, die das Infektionsgeschehen beeinflussen. Dadurch können die Forschenden Szenarien modellieren, die helfen, gezieltere Maßnahmen zu entwickeln. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Analyse von Heterogenität – also den Unterschieden zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und deren Einfluss auf die Verbreitung von Infektionen.

Das Projekt hat bereits wichtige Meilensteine erreicht. So hat das Forschungsteam ein Modell entwickelt, mit dem unterschiedliche Schutzmaßnahmen simuliert werden können – noch bevor sie in der Realität umgesetzt werden. Aktuell wird eine digitale Abbildung der deutschen Bevölkerung erstellt, mit der realistische Szenarien abgebildet werden können. Gleichzeitig führen die Forschenden erste Tests durch, um zu prüfen, welche Maßnahmen sich besonders gut eignen und wie verschiedene Faktoren – etwa Altersstruktur, Berufsgruppen oder Wohnorte – die Wirksamkeit beeinflussen.

Im nächsten Schritt will das OptimAgent-Team sein Modell mit Hilfe künstlicher Intelligenz weiter verfeinern. Dies soll ermöglichen, Vorhersagen schneller an neue Daten anzupassen und optimale Maßnahmenpakete für zukünftige Pandemien zu identifizieren. Das langfristige Ziel: eine evidenzbasierte Entscheidungsgrundlage, die nicht nur die Wirksamkeit von Maßnahmen steigert, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz durch transparente Kommunikation verbessert.

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OptimAgent (Projekt-Website)
Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten (MONID)

Professor Dr. Rafael Mikolajczyk, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Koordinator des Verbunds OptimAgent

INSIDe: Abwasser als Frühwarnsystem

In den Tiefen unserer Abwassersysteme verbirgt sich ein Datenschatz, der viel verrät über die aktuelle Gesundheitslage der Bevölkerung. Viele Krankheitserreger aus dem menschlichen Organismus lassen sich im Abwasser nachweisen, noch bevor die Betroffenen Symptome entwickeln und sich krank fühlen. Das Forschungsteam von INSIDe mit fünf Verbundpartnern hat sich diese wertvolle Datenquelle zunutze gemacht, um ein Frühwarnsystem für Infektionskrankheiten zu entwickeln. So ist eine Software-Plattform entstanden, mit deren Hilfe die Ausbreitung von im Abwasser nachweisbaren Erregern simuliert und eine drohende Infektionswelle frühzeitig erkannt werden kann.

Im Fokus des Projekts steht die Stadt München, wo mehrere Stationen zur Entnahme von Abwasserproben eingerichtet wurden. Diese Proben untersuchen die Forschenden systematisch auf verschiedene Krankheitserreger, um ein detailliertes Bild des regionalen Infektionsgeschehens zu erhalten. Die gewonnenen Daten fließen in ein komplexes Modell ein, das die Ausbreitung von Infektionskrankheiten unter Berücksichtigung der spezifischen lokalen Gegebenheiten des Abwassernetzes simuliert.

Die Analyse von Abwasserproben liefert schneller und zuverlässiger Daten zum Infektionsgeschehen als traditionelle Methoden, die auf Fallzahlen aus Krankenhäusern oder Meldedaten der Gesundheitsbehörden basieren. Während der SARS-CoV-2-Pandemie konnte durch Abwasseranalysen eine Vorlaufzeit von bis zu einer Woche erzielt werden. Damit war es möglich, frühzeitiger auf das Infektionsgeschehen zu reagieren. Das Forschungsteam hat die Software-Plattform inzwischen als Open-Source-Lösung bereitgestellt. So kann sie auch für andere Regionen genutzt und an deren spezifische Bedürfnisse angepasst werden.

Weitere Informationen:
Abwasser als Frühwarnsystem für gefährliche Erreger

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INSIDe (MONID-Website)
Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten (MONID)

Professor Dr. Jan Hasenauer, Koordinator des Forschungsverbundes INSIDe

RESPINOW: Mehr Planungssicherheit für Kliniken

Die frühzeitige Prognose schwerer Infektionswellen kann Kliniken und das öffentliche Gesundheitswesen dabei unterstützen, Engpässe zu vermeiden und die Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Das Forschungsprojekt RESPINOW setzt genau hier an. Ziel ist es, den Verlauf von Atemwegserkrankungen, etwa mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) oder der Influenza, genauer zu prognostizieren. Ein interdisziplinäres Forschungsteam mit zehn Partnern entwickelt dynamische Modelle, die den Verlauf solcher Infektionskrankheiten simulieren. Dabei legen die Forschenden auch einen Schwerpunkt auf die Auswirkung von so genannten nicht-pharmazeutischen Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen während der Pandemiezeit.

Nach den Lockdowns der SARS-CoV-2-Pandemie kam es zu unerwartet heftigen RSV-Wellen, die vor allem Babys und Kleinkinder betrafen. Die Folge: völlig überlastete Kinderstationen in den Kliniken. RESPINOW kombiniert deshalb Daten aus Bevölkerungsstudien mit Echtzeit-Methoden, um sowohl langfristige Szenarien als auch kurzfristige Vorhersagen zu ermöglichen. So sagten die Modelle beispielsweise für die Saison 2022/23 nach der Pandemie einen deutlich früheren Beginn der RSV-Welle sowie einen schwereren Verlauf voraus, der auch eintrat. Zugleich berücksichtigen die Prognosen auch die Wirkung von Impfungen und Therapien auf die Krankheitslast.

Besonders wichtig ist den Forschenden dabei der Austausch mit Akteurinnen und Akteuren aus der Praxis: Forschungserkenntnisse werden in einer zentralen Plattform zugänglich gemacht und in Zusammenarbeit mit Public-Health-Organisationen wie dem Robert-Koch-Institut genutzt. Zukünftig will das Forschungsteam auch regionale Prognosen erstellen, um die Ausbreitung von Infektionen auf lokaler Ebene besser einschätzen und gezielt reagieren zu können. Zudem wollen die Forschenden Daten aus innovativen epidemiologischen Studien nutzen, um die Wirksamkeit von Impfstrategien direkt abschätzen zu können.

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RESPINOW (Projekt-Website)
Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten (MONID)

Dr. Berit Lange, Koordinatorin des Forschungsverbundes RESPINOW

infoXpand: Wechselspiel zwischen Pandemie und Infodemie

Mit der SARS-CoV-2-Pandemie ging zugleich eine „Infodemie“ einher. Die Bevölkerung wurde mit vielen Informationen, aber auch Desinformationen konfrontiert. Diese digitale Flut und teils stark polarisierte Debatte stellt für unsere Gesellschaft eine immense Herausforderung dar und hat das Vertrauen in Institutionen geschwächt. Gleichzeitig haben die neuen Medien aber auch einen bisher unerreichten und schnellen Zugang zu Informationen ermöglicht. Der Forschungsverbund infoXpand untersucht, wie Information, Desinformation und Meinungen das Kontaktverhalten und damit die Ausbreitung und Eindämmung einer Pandemie beeinflussen.

Um das komplexe Wechselspiel von Krankheits- und Informationsdynamik zu verstehen, vereint infoXpand Expertinnen und Experten aus den Bereichen Physik, Soziologie und Kommunikationswissenschaften. Gemeinsam entwickeln sie innovative Modelle, die sowohl die Dynamik des Infektionsgeschehens als auch die Meinungsbildung in der Gesellschaft abbilden. Im Rahmen des Projekts konnten bereits Ergebnisse erzielt werden, die das Verständnis von Pandemien und deren gesellschaftlichen Auswirkungen deutlich erweitern. Eine der zentralen Erkenntnisse ist der enge Zusammenhang zwischen der Mobilität der Bevölkerung und der Ausbreitung des Virus. Außerdem konnten die Forschenden anhand der Spiele der Fußball-EM 2021 präzise berechnen, wie viele zusätzliche Infektionen und Todesfälle durch vermehrte Treffen entstanden sind.

Ein weiterer Fokus lag auf der Rolle gesellschaftlicher Polarisierung. Erste Ergebnisse zeigen, dass Polarisierung in bestimmten Szenarien die Ausbreitung eines Virus verlangsamen kann, da sich Infektionen so auf einzelne Gruppen beschränken, während sich andere Gruppen effektiv schützen. In den kommenden Jahren plant das Team von infoXpand, weitere Fragestellungen zu untersuchen. So soll unter anderem der Zusammenhang zwischen Vertrauen in Wissenschaft und Institutionen und dem Verlauf einer Pandemie genauer analysiert werden. Ein weiteres Ziel ist es, die Expertise zur Modellierung von sexuell übertragbaren Krankheiten in Deutschland auszubauen. Wie wichtig das ist, zeigt etwa der jüngste Ausbruch von Mpox, auch Affenpocken genannt.

Weitere Informationen:
Modelle zwingen uns zur Klarheit“, Interview mit Projektkoordinatorin Prof. Dr. Viola Priesemann

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infoXpand (MONID-Website)
Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten (MONID)

Professorin Dr. Viola Priesemann, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen (MPIDS), Koordinatorin des Verbunds infoXpand 

PROGNOSIS: Krankenhaus-Ressourcen vorausschauend einsetzen

Die COVID-19-Pandemie hat deutlich gemacht, dass selbst in hochentwickelten Ländern die Kapazitäten des Gesundheitssystems an ihre Grenzen stoßen können. Dies führte nicht nur zu einer teils unzureichenden Versorgung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten, sondern beeinträchtigte auch die Gesamtleistung des Gesundheitssystems – etwa durch eingeschränkte Präventions-Programme oder verzögerte Operationen. Das Forschungsprojekt PROGNOSIS setzt hier an: Ein interdisziplinäres Forschungsteam modelliert, wie Atemwegsinfektionen wie COVID-19 oder Influenza die Gesundheitsversorgung in Deutschland beeinflussen. Ziel ist es, die Belastung von Krankenhäusern – von Normalstationen bis zur Intensivpflege – und die Auswirkungen auf Personal-Ressourcen sowie die Versorgung mit medizinischem Material einzuschätzen. Dabei spielen auch regionale Unterschiede und saisonale Effekte eine Rolle.

Auf der Grundlage umfassender Datensätze entwickelt das PROGNOSIS-Team kurz- und langfristige Prognosemodelle, um fundierte Entscheidungen in der Gesundheitspolitik zu ermöglichen. So haben die Forschenden ein Modell geschaffen, das die gesamte Corona-Pandemie in Deutschland abbildet und die Belastung der Krankenhäuser beschreibt und prognostiziert. Darüber hinaus untersucht das Projekt die Auswirkungen anderer Atemwegsinfektionen wie Influenza- und Pneumokokken-Epidemien. Ein erweitertes Modell berücksichtigt zudem neue Impfstoffklassen. Praktische Anwendungen reichen von Vorhersagen zu Krankenhausbelegungen bis hin zur Optimierung der Personalplanung und der Versorgungsketten.

Der Modellierungsansatz ist so aufgebaut, dass er auf andere pan- und epidemische Situationen übertragbar ist.

Mehr erfahren:

PROGNOSIS (MONID-Website)

Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten (MONID)

Professor Dr. Markus Scholz, Universität Leipzig, Koordinator des Verbunds PROGNOSIS

SEMSAI: Vertrauen in Prognosen stärken

Wenn die Prognose hohe Infektionszahlen vorhersagt und Menschen infolgedessen vorsichtiger werden, kann es passieren, dass gerade deshalb die Infektionszahlen deutlich niedriger ausfallen. Die Grundlagen der Prognose haben sich schlicht und einfach geändert. Dies kann jedoch dem Vertrauen in die Wissenschaft schaden. Daher ist es essentiell aufzuzeigen, auf welcher Grundlage Modelle arbeiten und welche Gültigkeit die daraus ermittelten Vorhersagen haben. Der Forschungsverbund SEMSAI hat sich genau dies zum Ziel gesetzt: Die Forschenden entwickeln Modelle, die mögliche Änderungen im Schutzverhalten als Wirkung von Krisenkommunikation bereits mit einbeziehen. So soll langfristig das Vertrauen in wissenschaftliche Vorhersagen gestärkt werden.

Der Forschungsverbund bringt drei Partner mit unterschiedlichem Fachwissen zusammen: Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) entwickelt agentenbasierte Modelle, die simulierte Personen in realistischen Alltagsszenarien abbilden. Die Katastrophenforschungsstelle (KFS) der Freien Universität Berlin erstellt Umfragen und Experimente, um menschliches Verhalten und Wahrnehmung wissenschaftlicher Prognosen zu untersuchen. Ergänzend analysiert das Fraunhofer Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM), wie sich diese Erkenntnisse auf Krankheitsverläufe auswirken.

Die bisherigen Ergebnisse zeigen: Vertrauen in wissenschaftliche Prognosen ist entscheidend für das Schutzverhalten in Krisenzeiten. Zudem haben die Forschenden das Modellierungsverfahren verbessert, indem sie psychologische Faktoren integriert und damit schnellere Berechnungen ermöglicht haben. Für die Zukunft plant das SEMSAI-Team, die Wechselwirkungen zwischen Pandemiemüdigkeit, Vertrauen und Verhalten noch genauer zu analysieren. Künstliche Intelligenz soll helfen, noch präzisere Modelle zu entwickeln und deren Ergebnisse klarer zu kommunizieren. Nur wenn die Bevölkerung Prognosen versteht und ihnen vertraut, kann sie ihr Verhalten sinnvoll anpassen – ein entscheidender Faktor für den erfolgreichen Umgang mit zukünftigen Gesundheitskrisen.

Mehr erfahren:

SEMSAI (Projekt-Website)

Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten (MONID)

Professor Dr. Ingo J. Timm, Universität Trier, Koordinator des Verbunds SEMSAI

Ergebnisse der Gesundheitsforschung

Professorin Dr. Viola Priesemann

„Modelle zwingen uns zur Klarheit“

Interview mit Professorin Dr. Viola Priesemann

Fachkraft untersucht Abwasser im Labor

Abwasser als Frühwarnsystem für gefährliche Erreger

Abwasserproben liefern schneller und zuverlässiger Daten zum Infektionsgeschehen als das Krankenhäusern oder Gesundheitsbehörden aufgrund von Fallzahlen möglich wäre.