Unterstützung ja, autonome Entscheidung nein?

„Smarte“ Helfer sind fester Bestandteil im medizinischen und pflegerischen Berufsalltag: Sie unterstützen bei Diagnostik und Therapie, der Erstellung von Prognosen und beim Patientenmanagement. Zugleich werfen sie ethische und normative Fragen auf.

Mediziner zeigt Datenwolke vor verschwommenem Hintergrund

„Smarte Helfer“ bieten enorme Hilfen bei medizinischen Entscheidungen, können (und dürfen) die verantwortlichen Ärztinnen und Ärzte aber nicht ersetzen.

natali_mis/Adobe

DESIREE – Entscheidungsunterstützung in der Routine- und Notfallversorgung: Ethische und soziale Implikationen

Schnelle Hilfe bieten Entscheidungsunterstützungssysteme (EUS) zum Beispiel bei der Medikamentenverordnung. Die „smarten“ Helfer weisen auf mögliche Nebenwirkungen hin und warnen vor Wechselwirkungen mit bereits verschriebenen Wirkstoffen. Auch bei der Analyse und Interpretation von Bildern sind EUS bereits heute eine enorme Hilfe. Zwar gilt beim Einsatz dieser Systeme: EUS können (und dürfen) der Anwenderin oder dem Anwender keine Entscheidung abnehmen; sie dienen lediglich der Entscheidungsunterstützung. Jedoch wird die menschliche Entscheidungsfindung maßgeblich durch die digitalen Systeme beeinflusst, woraus sich wichtige normative Herausforderungen in Bezug auf Verantwortung, Privatsphäre, Sicherheit und Autonomie ergeben. Aspekte wie die Mensch-Maschine-Interaktion, Arbeitsabläufe, das professionelle Selbstbild und das Arzt-Patienten-Verhältnis wurden bislang nicht ausreichend untersucht.

Ziel des Verbundprojektes DESIREE ist es, anhand von drei exemplarischen angewandten Fallstudien – Radiologie, Chirurgie und Pflege – ethische, soziale, berufliche und technische Schlüsselaspekte zur digitalen Entscheidungsunterstützung im Gesundheitswesen zu erforschen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berücksichtigen bereits bestehende Lösungsansätze und gehen u. a. folgenden Fragen nach: Wie wird das Verhältnis zwischen Patientin/Patient und dem medizinischen Personal beeinflusst? Wie wird das medizinische Personal in seinem beruflichen Selbstverständnis beeinflusst? Welche Verantwortung geht mit der Entwicklung dieser Systeme einher? Welche Auswirkungen haben EUS auf bestehende Strukturen und Prozesse im deutschen Gesundheitssystem? Dabei werden die relevanten Stakeholdergruppen partizipativ einbezogen.

Die Querschnittsanalyse über drei Anwendungsfälle ermöglicht es, allgemeine Erkenntnisse für die ethisch und sozial verantwortliche Entwicklung, Nutzung und Steuerung der digitalen Entscheidungsunterstützung zu ziehen. Neben der wissenschaftlichen Verwertung sollten die DESIREE-Projektergebnisse auch  über eine Projektwebsite, Social Media und öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen in eine breitere Öffentlichkeit getragen werden.

Förderinitiative: Forschung zu ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten (ELSA) der Digitalisierung, von Big Data und Künstlicher Intelligenz in der Gesundheitsforschung und -versorgung

Projektvolumen: 767.000 Euro

Projektlaufzeit: 01.03.2020-28.02.2023

Projektleitung:
Dr. Tanja Bratan
Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. – Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
Breslauer Straße 48
76139 Karlsruhe
0721 6809-182
tanja.bratan@isi.fraunhofer.de

Projektpartner:
Prof. Dr. Dr. Sabine Salloch, Universitätsmedizin Greifswald – Institut für Ethik und Geschichte der Medizin,

Prof. Dr. Dr. Martin Langanke, Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe – Fachbereich 1 – Soziale Arbeit

Dr.-Ing. Myriam Lipprandt, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen – Fakultät 10 – Medizin und Universitätsklinikum – Institut für Medizinische Informatik