Workshop 2 wurde von Hans-Georg Dederer geleitet und von Ralf Müller-Terpitz moderiert. Einer der Kernpunkte des Thesenpapiers bestand darin, ein neues Bioethikgesetz in Form eines Artikelgesetzes zu entwerfen und damit einen gesetzlichen Rahmen für die Verwendung von humanen Embryonen und pluripotenten Stammzellen für Forschung und Therapie zu schaffen. Mit einem neuen „Embryonen- und Stammzellforschungsgesetz – ESFoG“ sollen u.a. die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Verwendung von humanen Embryonen und embryonalen Stammzellen einschließlich ihrer Gewinnung zu hochrangigen Zwecken festlegt werden. Hinsichtlich ethisch sensibler Verwendungen soll sich das ESFoG nicht nur auf embryonale, sondern auch auf pluripotente induzierte Stammzellen beziehen. Der mit dem Bioethikgesetz aufgespannte Rechtsrahmen soll regelmäßig im Rhythmus eines Mehrjahreszeitraums im Lichte der naturwissenschaftlich-medizinischen Entwicklungen überprüft und ggf. angepasst werden.
Thesenpapier 2- Ursprungsversion
Die Diskussion fokussierte sich auf einzelne, bestimmte Thesen, die kritisch diskutiert wurden. Zunächst wurde die wertende Einschätzung einer „Lethargie“ des Gesetzgebers und einer „Erstarrung“ des Rechtsrahmens (Thesen 1 und 3) als Rechtfertigungen für die vorgeschlagenen Neuregelungen hinterfragt. Denn ob sich gerade die hinter der geltenden Gesetzeslage stehenden ethischen und (verfassungs-)rechtlichen Wertungen grundsätzlich verändert hätten, sei keineswegs gesichert.
Demgegenüber zeigte sich, dass sich die Forschenden eine pragmatische, möglichst schlanke Regulierung wünschen, die der Laborpraxis Rechnung trägt. Der Nutzen von hES- und iPS-Zellen für Zell- und Gewebeersatz im Fall vieler bisher unheilbarer, oft schwer verlaufender Krankheiten war unstrittig. Aufgeworfen wurde die Frage, ob für diesbezügliche Forschung und darauf beruhende Therapien nicht eine Modifikation allein des bestehenden StZG eine Option sei, um die momentan größten Hindernisse für Stammzellforschung und stammzellbasierte Therapieansätze zu beseitigen.
Teilnehmende aus den Bereichen Ethik und Recht diskutierten, ob die Statusfrage des Embryos einem Gesetz wie dem vorgeschlagenen ESFoG im Wege stehen könnte oder ob umgekehrt bestimmte, auf abstufenden bzw. abwägenden Konzepten beruhende Statusannahmen nutzbare Handlungskorridore schaffen könnten. In diesem Kontext wurde auch die Frage, ob und wie der Begriff „Embryo“ gesetzlich zu definieren sei (These 5), zum Gegenstand der Debatte.
Wichtige Diskussionen ergaben sich zu Fragen der Reproduktion. Dies betraf zunächst den in These 10 verwendeten Begriff der „Fertilitätsforschung“ mittels künstlicher Keimzellen. Sofern Befruchtungsexperimente mit artifiziellen Gameten durchgeführt werden sollten, würden Forschungsembryonen hergestellt, was ethisch und rechtlich bedenklich sei. Aus wissenschaftlicher Sicht wurde angezweifelt, ob stammzellbasierte Gameten überhaupt jemals zu reproduktiven Zwecken bzw. zum Zweck einer Infertilitätstherapie verwendet werden könnten. Einigkeit bestand darin, dass jedenfalls sog. Embryoide nicht zu Zwecken der Reproduktion verwendet werden dürften (These 9).
Kritisch gesehen wurde der Vorschlag, dass bei der Anmeldung zur Erzeugung von Embryoiden deren Entwicklungsfähigkeit abgeschätzt werden soll. Da eine solche Abschätzung ohne einen Transfer in eine natürliche oder artifizielle Gebärmutter ethisch unvertretbar und deshalb unmöglich sei, wurde das Anmeldungserfordernis kritisch gesehen.
Uneins war sich die Gruppe, ob aus iPS abgeleitete Hirnorganoide einer Regelung unterliegen sollten oder nicht (vgl. These 11). Während wissenschaftlich kein Handlungsbedarf gesehen wurde, hielt eine ethische Perspektive einen Genehmigungsvorbehalt für erforderlich. Diskutiert wurde weitergehend, ob iPS-Zellen überhaupt in eine gesetzliche Regelung überführt werden sollten (These 7) oder ob hierdurch die Forschung zu stark beschnitten würde.
Betont wurde schließlich, dass die Gesellschaft bei der Ausarbeitung eines neuen Gesetzes mitgenommen werden müsse. Insoweit sei bei der Wortwahl zu bedenken, dass bestimmte Formulierungen unzutreffende Bilder auslösen könnten. Beispielsweise werde durch den Begriff der „artifiziellen“ Gameten die Vorstellung evoziert, es handele sich um synthetisch erzeugte, nicht aber aus humanen Stammzellen biotechnologisch abgeleitete Keimzellen. Auch der bildhafte Begriff „Hirnorganoide“ könne durch „cerebral organoids“ versachlicht werden.
Das Thesenpapier wurde vom Verfasser vor dem Hintergrund der Diskussion überarbeitet und erweitert, inhaltlich hinsichtlich seiner Kernaussagen aber nicht wesentlich modifiziert.