Starkes Übergewicht beeinträchtigt häufig das Immunsystem. Eine wichtige Ursache könnte das gestörte Gleichgewicht der natürlichen Bakterien im Körper sein. Forschende aus Erlangen untersuchen die Zusammenhänge, um neue Therapieoptionen zu erschließen.
Einer der großen Risikofaktoren für das Immunsystem ist starkes Übergewicht (Adipositas), denn Infektionserreger können sich aufgrund von Adipositas dauerhaft ansiedeln und chronische Entzündungen hervorrufen. Auslöser dafür könnte ein Ungleichgewicht des Mikrobioms sein, das durch eine zucker- und fettreiche Ernährung verursacht wird. Als Mikrobiom werden die Milliarden von Bakterien bezeichnet, die normalerweise im Körper und auf der Haut vorkommen. Es wird vermutet, dass das Mikrobiom der Haut etwa eine wichtige Rolle bei der Wundheilung und Erregerabwehr spielt. Dies wäre eine mögliche Erklärung dafür, warum bei Menschen mit Adipositas – und dem dadurch veränderten Mikrobiom – die Gewebereparatur gestört ist, sodass Krankheitserreger leichter über eine Wunde in den Körper eindringen und sich dort ansiedeln können. Dazu kommt, dass die Immunzellen, die für die gezielte Abwehr von Infektionserregern zuständig sind, bei Adipositas in ihrer Funktion beeinträchtigt sind. Krankheitserreger hätten also nicht nur aufgrund der länger offenen Wunden, sondern auch wegen der geschwächten Immunabwehr ein leichtes Spiel, langwierige Infektionen auszulösen. Da die genauen Hintergründe nicht geklärt sind, haben Therapien häufig nicht den gewünschten Erfolg.
Der Erlanger Immunologe Dr. Christian Schwartz untersucht mit seiner Forschungsgruppe die Ursachen einer gestörten Immunreaktion bei Menschen mit Adipositas. Sein Fokus ist dabei auf die Typ2-Immunantwort gerichtet, eine für die Abwehr und Wundheilung besonders wichtige, bei stark übergewichtigen Menschen bislang aber kaum erforschte Immunreaktion. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert diese Arbeiten mit rund 2,3 Millionen Euro.
Die Typ 2 Immunantwort ist eine von mehreren Immunreaktionen des Körpers. Sie richtet sich gegen verschiedene Arten von Krankheitserregern und gegen allergieauslösende Stoffe. Die speziellen Zelltypen, die an dieser Immunantwort beteiligt sind, lösen Reaktionen in den Körperzellen und im Stoffwechsel aus, so dass die Krankheitserreger eliminiert und Gewebeschäden repariert werden. Bei stark übergewichtigen Menschen sind diese Immunzellen in ihrer Funktion beeinträchtigt. Zudem ist die Darmwand der Betroffenen durchlässiger, so dass sich Bakterien und deren entzündungsfördernden Bestandteile schneller verbreiten und Entzündungen im Darm oder auf der Haut auslösen können.
Typ2-Immunantwort und Wechselwirkung mit dem Mikrobiom
Die Grundlagen der Immunabwehr erforscht die Projektgruppe am Modell von stark übergewichtigen Mäusen. Gemessen wird die Immunantwort beispielsweise daran, welche Immunzellen die Mäuse produzieren, wie gut das geschädigte Gewebe heilt, wie erfolgreich der Erreger eliminiert wird und wie sich das auf das Gewicht der Tiere auswirkt. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse untersucht die Gruppe danach das Wechselspiel zwischen den natürlicherweise vorhandenen Bakterien – dem Mikrobiom – und den Immunzellen. Außerdem wird erforscht, welchen Einfluss die Darm- und Hautbakterien auf die Gewebereparatur und Wundheilungsfähigkeit haben. Dazu beobachten die Forschenden die Veränderungen bei unterschiedlichen Voraussetzungen wie gesundem oder adipösen Zustand, bei Infektion oder auch bei Antibiotikaeinsatz.
Konkrete Verbesserung für Adipositas-Kranke im Blick
Um zu überprüfen, inwieweit ihre Erkenntnisse auf den Menschen übertragbar sind, untersuchen die Forschenden Haut-, Fettgewebe-, Blut- und Stuhlproben von stark übergewichtigen und von gesunden Menschen. Dabei interessiert sie vor allem, wie gut sich die Abwehrzellen und die Wundheilung durch Veränderung des Mikrobioms stimulieren lassen. Auch Patientinnen und Patienten, die einen chirurgischen Eingriff wie eine Magenverkleinerung durchlaufen haben, werden in die Untersuchungen einbezogen.
„Auf der Grundlage unserer Arbeiten könnten beispielsweise Strategien entwickelt werden, wie adipöse Patientinnen und Patienten vor einer Operation versorgt werden müssen, um ihre Typ2-Immunität zu stärken und damit die Wundheilung zu verbessern und das Risiko von Wundinfektionen zu verringern“, erklärt Projektleiter Dr. Christian Schwartz den Nutzen des Forschungsprojektes für die Praxis.
Über die Richtlinie zur Förderung von Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung unterstützt das Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) das Projekt „Obesity_ImpAcT – Adipositas-vermittelte Beeinträchtigung der antimikrobiellen Immunantwort und der Gewebereparatur“ von 2022 bis 2027 mit gut 2,3 Millionen Euro. Ziel der Fördermaßnahme ist es, die Karriere qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in der klinischen und anwendungsorientierten Infektionsforschung gezielt zu fördern und die wissenschaftliche Basis in der Infektionsforschung in Deutschland zu stärken. Im Mai 2022 startete die zweite Förderphase der Maßnahme.