Eine HIV-Infektion schwächt das Immunsystem. Bei einigen Erkrankten auch dann noch, wenn die medikamentöse Therapie erfolgreich ist. Warum das so ist, untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsprojekt VirCure.
Auch heute noch gehört das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) zu den für den Menschen gefährlichsten Krankheitserregern. Unbehandelt führt eine HIV-Infektion nach einer langen, meist mehrjährigen Phase ohne Symptome zu dem erworbenen Immunschwächesyndrom AIDS (engl. acquired immunodeficiency syndrome). Das Immunsystem ist dann so schwach, dass auch harmlose Erkrankungen für die Patientinnen und Patienten sehr gefährlich werden.
„Durch bestimmte Medikamente können wir heute die Ausbreitung des Virus im Körper sehr erfolgreich unterdrücken. Dennoch bleibt die Immunabwehr bei einigen Patientinnen und Patienten geschwächt oder erholt sich nur langsam. Leider fehlt uns eine Therapieoption, um diese wirkungsvoll zu stärken. Wir wissen noch zu wenig darüber, wie HIV die Kommunikation zwischen den Immunzellen stört – und wie wir hier eingreifen können“, erläutert Dr. Angelique Hölzemer. Die Medizinerin leitet an der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf das Nachwuchsgruppen-Forschungsprojekt VirCure in der Sektion Infektiologie.
Eine HIV-Infektion führt zu einem Mangel an T-Zellen
T-Zellen sind weiße Blutkörperchen, die der Immunabwehr dienen. Bei einer HIV-Infektion dringt das Virus in sie ein und wird im Zellinneren vermehrt. Körpereigene Killerzellen sind ein weiterer wichtiger Bestandteil des Immunsystems. Ihre Aufgabe ist es, virusbefallene Zellen zu erkennen und zu vernichten. Im Falle einer akuten HIV-Infektion vernichten diese Killerzellen demnach die T-Zellen, in denen HIV vermehrt wird. „Wir untersuchen, ob die Killerzellen die T-Zellen auch dann noch vernichten, wenn die Vermehrung des Virus durch Medikamente unterdrückt wird. Das könnte beispielsweise der Fall sein, wenn das Immunsystem überaktiviert bleibt“, so Hölzemer. Ihr Ziel ist es, die gestörte Interaktion zwischen T-Zellen und Killerzellen besser zu verstehen, um Therapien zu entwickeln, mit denen das Gleichgewicht im Immunsystem wiederhergestellt werden kann. Dies wäre auch eine wichtige Voraussetzung für eine sogenannte „funktionelle“ Heilung der HIV-Infektion, bei der das Virus zwar im Körper bleibt, aber dauerhaft durch das Immunsystem kontrolliert wird.
Seltene Gehirninfektionen als Folge einer unbehandelten HIV-Infektion.
Darüber hinaus widmen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Frage, warum bei einigen HIV-infizierten Menschen das sogenannte JC-Virus reaktiviert wird. Dieses Virus befindet sich bei vielen Menschen unentdeckt und inaktiv im Körper. Wird es allerdings reaktiviert, kann es eine seltene, oft tödliche, Gehirninfektion auslösen. Bislang ist bekannt, dass die Reaktivierung mit einer Immunschwäche zusammenhängt, zum Beispiel der durch die unbehandelte HIV-Infektion ausgelösten Immunschwäche. Unklar ist jedoch, wieso nur ein Bruchteil der Patientinnen und Patienten mit unbehandelter HIV Infektion einen Ausbruch des JC-Virus im Gehirn erleidet. „Wir wollen verstehen, wieso die HIV-Infektion bei einigen Menschen die Kontrolle des JC-Virus im Gehirn verhindert und bei anderen nicht.“ Die Forschenden hoffen so einen Weg zu finden, die Immunantwort im Gehirn gezielt zu stärken, um Schäden durch das JC-Virus zu verhindern.
Über die Richtlinie zur Förderung von Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung unterstützt das Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) das Projekt „VirCure – Überwindung einer dysfunktionalen Immunzellinteraktion als Hindernis für die funktionelle Heilung von HIV“ von 2022 bis 2027 mit mehr als zwei Millionen Euro. Ziel dieser Fördermaßnahme ist es, die Karriere qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in der klinischen und anwendungsorientierten Infektionsforschung gezielt zu fördern und die wissenschaftliche Basis in der Infektionsforschung in Deutschland zu stärken.