Januar 2022

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Bei unklarem Herzstillstand keine Vorteile durch schnelle Herzkatheter-Untersuchung

Schnelle Herzkatheter-Untersuchungen sind nicht immer die beste Therapie, wenn Menschen nach einem Herzstillstand mit unklarer Ursache ins Krankenhaus kommen. Das ist das Ergebnis der TOMAHAWKDZHK4-Studie am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK).
 

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Etwa 75.000 Menschen pro Jahr erleiden in Deutschland einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb des Krankenhauses. Bei nahezu der Hälfte von ihnen ist er die Folge eines Herzinfarkts, bei dem in der Regel Herzkranzgefäße verengt oder verschlossen sind, wodurch Herzmuskelzellen absterben. Andere Ursachen eines Herz-Kreislauf-Stillstands sind primäre Herzrhythmusstörungen, Hirnblutungen, Lungenembolien oder Traumata. In der Folge erleiden die Patienten oft schwere Herzrhythmusstörungen und es kann zum Herzstillstand kommen. Durch Herzdruckmassage und Elektroschocks können 15 bis 20 Prozent der Herzstillstand-Betroffenen wiederbelebt werden.

Frau erklärt Mann eine Herzkatheter-Untersuchung am PC

Eine schnell erfolgende Herzkatheter-Untersuchung ist bei Menschen angezeigt, die aufgrund eines Herzinfarkts einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten. Bei unklarer Ursache für den Stillstand sollte aber nichts überhastet werden.

RFBSIP/Adobe Stock

Ein Teil der wiederbelebten Patientinnen und Patienten hat eindeutige Merkmale für einen Herzinfarkt im EKG, die sogenannten ST-Hebungen. Diese Patienten werden sofort nach Eintreffen in der Klinik per Herzkatheter untersucht, wodurch verengte Herzkranzgefäße sichtbar gemacht und geweitet werden können. Bei allen anderen, die ins Krankenhaus kommen, bleibt die Ursache zunächst häufig unklar. Hinzu kommt, dass Betroffene selbst keine Auskunft über Symptome vor oder nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand geben können, da sie in den allermeisten Fällen bewusstlos sind.

Kardiale Ursachen für Herz-Kreislauf-Stillstand am wahrscheinlichsten

Portraitbild Professor Dr. Steffen Desch

Professor Dr. Steffen Desch

privat

„Kardiale Ursachen sind für einen Herz-Kreislauf-Stillstand am wahrscheinlichsten, deshalb lag es lange nahe, alle, von denen wir nicht wissen, was sie haben, umgehend zu kathetern“, sagt Professor Dr. Steffen Desch vom Universitären Herzzentrum Lübeck, der die vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) finanzierte Studie geleitet hat. Ob das für diese Patientengruppe auch am besten ist, darin waren sich Mediziner bislang nicht einig.

Für eine sofortige Herzkatheter-Untersuchung, auch Koronarangiografie genannt, spricht, dass das Herz weniger Schaden nimmt, wenn verschlossene Gefäße frühzeitig geöffnet werden. Aber natürlich nur dann, wenn dem Herzstillstand auch wirklich ein Infarkt vorausging. Liegt kein Infarkt vor, wird der Patient unnötigen Untersuchungsrisiken ausgesetzt und andere diagnostische Maßnahmen kommen eventuell zu spät. Die TOMAHAWK-Studie wollte hier mehr Klarheit schaffen: Es wurde deshalb untersucht, ob sich die 30-Tage-Überlebensrate von wiederbelebten Patienten mit unklarer Ursache des Herz-Kreislauf-Stillstandes unterscheidet je nachdem, ob sie eine sofortige oder verzögerte bzw. auch keine Koronarangiografie erhalten haben.

TOMAHAWK-DZHK4

Das schnelle Öffnen der verengten Gefäße mittels Herzkatheter gilt bei einem auf einen Infarkt zurückzuführenden Herz-Kreislauf-Stillstand als die Methode der Wahl, um weitere Schäden am Herzen zu verhindern. Ob ein Infarkt vorlag, ist bei wiederbelebten und meist bewusstlosen Patientinnen und Patienten oft aber nicht eindeutig zu sagen.

Ziel der Studie war es, zu untersuchen, ob bei dieser Patientengruppe zunächst besser weitere Diagnostik betrieben werden sollte und – falls notwendig – erst später eine Herzkatheter-Untersuchung durchzuführen. Die Erkenntnisse der Studie TOMAHAWK-DZHK4 sollen behandelnden Ärzten mehr Sicherheit bei der Wahl der Behandlungsoptionen verschaffen und die Überlebenschancen der betroffenen Patienten erhöhen.

Überraschendes Ergebnis

Das Ergebnis hat Desch und sein Team überrascht, auch wenn eine 2019 durchgeführte Studie darauf bereits hingedeutet hat: „Wir haben zwischen den beiden Vorgehensweisen kaum Unterschiede gefunden, eher ist es so, dass die frühe Untersuchung nachteilig ist“, fasst Desch zusammen. Dafür haben die Forschenden die Daten von 530 Patienten ausgewertet, die nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt worden waren. Die Patienten in der Sofort-Gruppe wurden, rund drei Stunden nachdem sie im Krankenhaus eingetroffen waren, per Koronarangiografie untersucht. Von ihnen waren nach 30 Tagen 143 verstorben.

Die andere Gruppe wurde im Mittel zwei Tage intensivmedizinisch betreut, bevor eine Herzkatheter-Untersuchung durchgeführt wurde. Wurden zwischenzeitlich andere Ursachen des Kreislaufstillstandes identifiziert, verzichtete das Behandlungsteam auch ganz auf die Koronarangiografie. In dieser verzögerten Gruppe verstarben 122 Personen innerhalb der ersten 30 Tage. Schwere neurologische Schäden waren bei der Sofort-Gruppe sogar etwas häufiger.

Was bedeutet das nun für die Notfallsituation im Krankenhaus? Desch empfiehlt seinen Kolleginnen und Kollegen: „Bei der Mehrheit der Patienten gibt es keinen Grund, gerade auch in angespannten Situationen wie Nachtdiensten überhastete Koronarangiografien durchzuführen. Nehmen Sie sich Zeit und verfolgen Sie den klinischen Verlauf. Sollten sich nach ein bis zwei Tagen keine weiteren Ursachen für den Herz-Kreislauf-Stillstand gefunden haben, kann eine Herzkatheter-Untersuchung Klarheit bringen.“

Originalpublikationen:
Desch, S. et al. (2021). Angiography after Out-of-Hospital Cardiac Arrest without ST-Segment Elevation. New England Journal of Medicine, 29 August 2021. DOI: 10.1056/NEJMoa2101909

Desch, S. et al. (2019). Immediate Unselected Coronary Angiography Versus Delayed Triage in Survivors of out-of-Hospital Cardiac Arrest without St-Segment Elevation: Design and Rationale of the Tomahawk Trial. Am Heart J 2019, 20–29, (2018). DOI: S0002870318303417

Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)

Im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, kurz DZHK, bündeln 30 universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen an sieben Standorten in ganz Deutschland ihre Kräfte, indem sie eine gemeinsame Forschungsstrategie verfolgen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Bundesländern der Standorte geförderte DZHK bietet ihnen den Rahmen, um Forschungsideen gemeinsam, besser und schneller als bisher umsetzen zu können. Wichtigstes Ziel des DZHK ist es, neue Forschungsergebnisse möglichst schnell für alle Patientinnen und Patienten verfügbar zu machen und Therapien sowie die Diagnostik und Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Steffen Desch
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein/Campus Lübeck
Universitäres Herzzentrum Lübeck
Ratzeburger Allee 160
23562 Lübeck
Steffen.Desch@uksh.de

Pressekontakt:
Christine Vollgraf
Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung
Pressestelle
Potsdamer Straße 58
10785 Berlin
030 3465-52902
christine.vollgraf@dzhk.de

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