10.09.2024

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Endometriose: „Chamäleon der Gynäkologie“ wird erforscht

Endometriose hat viele Gesichter. Die Symptome sind verschieden und reichen von Unterbauchschmerzen bis hin zu ungewollter Kinderlosigkeit. Fünf Forschungsverbünde treten nun an, um Antworten auf offene Fragen rund um die Krankheit zu finden. 

Eine Ärztin macht sich Notizen in einem Warteraum, im Hintergrund sitzen zwei Patientinnen

Von Endometriose betroffene Patientinnen müssen oft jahrelang auf eine Diagnose warten. Die neuen Forschungsverbünde wollen dazu beitragen, dass die Krankheit schneller erkannt und besser behandelt werden kann.

JackF /AdobeStock

Endometriose ist eine chronisch-entzündliche gynäkologische Erkrankung. Bei den betroffenen Frauen siedelt sich Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter an. Dies kann dort das Gewebe schädigen und zu chronischen Entzündungen, Vernarbungen und Verwachsungen führen.

Ein Leiden mit vielen Facetten

Schätzungsweise zehn bis 15 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter sind von Endometriose betroffen – einige von ihnen bemerken ihre Krankheit gar nicht, andere leiden unter starken Schmerzen oder einer Vielzahl weiterer Beschwerden. Auch ungewollte Kinderlosigkeit wird mit Endometriose in Verbindung gebracht. Da die Erkrankung schwer zu diagnostizieren ist und mit unterschiedlichen Symptomen und Schweregraden in Erscheinung tritt, wird sie häufig auch als „Chamäleon der Gynäkologie“ bezeichnet. Betroffene Frauen haben oft einen langen Leidensweg hinter sich, ehe sie eine Diagnose erhalten. Die Ursache der Erkrankung ist weitgehend unbekannt, sodass sich Therapien bisher auf die Linderung der Symptome beschränken.

Expertinnen und Experten arbeiten in fünf Verbünden an neuen Erkenntnissen

Vor diesem Hintergrund werden ab September 2024 fünf Verbünde zur besseren Erforschung der Endometriose gefördert. Ziel ist es, mit Hilfe interdisziplinärer Verbundforschung offene Fragen zu Entstehung und Verlauf der Erkrankung zu beantworten und bessere Präventions-, Diagnose-, und Therapiemöglichkeiten zu finden.

Die unter Beteiligung eines internationalen Gutachtergremiums ausgewählten Verbünde decken eine große Bandbreite verschiedener Themen ab:

ENDOFERT – Unfruchtbarkeit verhindern

Der von Professor Martin Götte (Universität Münster) koordinierte Verbund ENDOFERT untersucht den Zusammenhang zwischen Endometriose und Unfruchtbarkeit sowie schwierigen Schwangerschaftsverläufen. Es werden Daten und biologische Proben von Patientinnen aus verschiedenen Quellen zusammengeführt, um eine umfassende Datenbank zu schaffen. Mit Hilfe dieser Datenbank sollen verschiedene Prozesse auf zellulärer Ebene entschlüsselt werden, die die Fruchtbarkeit beeinflussen. Der Verbund strebt die Entwicklung von Tests für ein frühes und kontinuierliches Krankheitsmanagement an, die eine sichere Diagnose ohne Entnahme einer Gewebeprobe ermöglichen und so den Bedarf an chirurgischen Eingriffen reduzieren. Durch die Erkenntnisse sollen außerdem neue Angriffspunkte für Medikamente gefunden werden, die auch bei Kinderwunsch oder Schwangerschaft eingenommen werden können.

ENDO-PAIN – den Schmerzen auf den Grund gehen

Die Erforschung von Endometriose-Schmerzen steht beim Verbund ENDO-PAIN unter der Koordination von Professorin Sylvia Mechsner (Charité Berlin) im Fokus. Das Forschungsteam untersucht die Entstehungsursachen von Schmerzen durch Entzündung von Nervengewebe (Neuroinflammation), einer krankhaften Vermehrung des Bindegewebes (Fibrose) und den daran beteiligten Signalwegen im Körper. Die Kenntnis über typische Signalwege könnte eine Diagnose der Erkrankung auch ohne Entnahme von Gewebeproben ermöglichen und den Patientinnen damit einen Eingriff ersparen. Ein besseres Verständnis der zellbiologischen Zusammenhänge der Erkrankung kann auch zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze beitragen und es ermöglichen, den individuellen Krankheitsverlauf einer Patientin besser vorherzusagen.

ENDO-RELIEF – den Krankheitsverlauf verstehen

Der Verbund ENDO-RELIEF unter Koordination von Professor Bernhard Krämer (Universität Tübingen) kombiniert Methoden der Grundlagenforschung mit klinischen Fragestellungen, um herauszufinden, warum und wie sich Endometriose entwickelt. Das Zusammenspiel zwischen den Endometrioseherden mit dem sie umgebenden Gewebe und der Einfluss des Immunsystems soll besser verstanden werden. Die Forschenden wollen mit ihrer Arbeit aufklären, warum und wie Endometriose zu Organschäden führen kann und so zu verbesserten Therapien und einer personalisierten Behandlung der Patientinnen beitragen. Darüber hinaus könnten die Forschungsergebnisse potenziell die Grundlage für eine Verbesserung der Hormontherapie und neuartige Antikörperbehandlungen schaffen.

StEPP-UPP – Schmerzen bei Endometriose verstehen und Behandlung verbessern

Endometriose kann mit einer Vielzahl von Symptomen verbunden sein. Der Verbund StEPP-UPP unter Koordination von Professorin Esther Pogatzki-Zahn (Universität Münster) möchte die zugrunde liegenden Mechanismen, insbesondere von Schmerz und weiteren mit Schmerz in Verbindung stehenden Symptomen, besser verstehen. Hierzu werden psychosoziale Daten von Patientinnen in einer Verlaufsstudie erhoben und zusammen mit Proben von Blut, Stuhl und Endometrioseherden analysiert, um Biomarker für neue, zielgerichtete Behandlungen zu finden. Die Patientinnen-Daten sowie ebenfalls erhobene präklinische Daten sollen mit Hilfe von Ansätzen maschinellen Lernens und künstlicher Intelligenz interpretiert werden, um die komplexen Daten adäquat auswerten zu können und Computermodelle zu erstellen. Diese Modelle könnten Behandelnde in Zukunft dabei unterstützen, durch Endometriose verursachte Schmerzen besser zu diagnostizieren und individualisiert zu therapieren.

HoPE – Ernährungskonzepte entwickeln 

Das von Professorin Iris-Tatjana Kolassa (Universität Ulm) koordinierte Forschungsteam des HoPE-Verbundes wird verschiedene, miteinander in Verbindung stehende Mechanismen untersuchen, um das ganzheitliche Verständnis der Ursachen von Endometriose zu verbessern. Der Verbund widmet sich der Entschlüsselung des Zusammenspiels von Ernährung, Immunsystem, Stoffwechsel und Darmmikrobiom und untersucht hierbei, wie Bakterien und anderen Mikroorganismen des Darms entzündliche und hormonelle Mechanismen beeinflussen können. Basierend auf den Projektergebnissen sollen Ernährungskonzepte für Patientinnen mit Endometriose entwickelt und getestet werden.