Forschen am Seltenen

Störungen grundlegender biologischer Prozesse sind die Ursache vieler Seltener Erkrankungen. Die Grundlagenforschung liefert daher wichtige Ansatzpunkte für neue Therapien. Um deren Wirksamkeit und Sicherheit zu belegen, fördert das BMBF klinische Studien.

Forschende betrachtendas Bild einer DNA-Doppelhelix.

Die Betrachtung des menschlichen Erbgutes ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die Erforschung Seltener Erkrankungen.

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Rund 80 Prozent aller Seltenen Erkrankungen haben eine genetische Ursache. Der Schlüssel zu ihrem Verständnis liegt daher oft in der Genforschung. Deren Ergebnisse ermöglichen nicht nur schnelle und sichere Diagnosen – oft bieten sie auch Ansatzpunkte für neue Therapien.

Bessere Diagnostik durch technischen Fortschritt

Genanalysen waren lange zeitaufwendig und teuer. Dank technischer Fortschritte ist es heute jedoch möglich, das gesamte Genom eines Menschen kostengünstig und in kurzer Zeit auszulesen. Konzentriert man sich dabei auf das sogenannte Exom, also den Teil des Genoms, das die Bauanleitungen für Eiweiße enthält, senkt das den Aufwand und die Kosten zusätzlich. Sind die genetischen Ursachen einer Seltenen Erkrankung also bekannt, lässt sie sich heute im Verdachtsfall schnell und sicher diagnostizieren.

Grundlagen erforschen – Therapien entwickeln

Wie sich die Ergebnisse der Genom- und Grundlagenforschung zu einem neuen Therapieansatz weiterentwickeln können, das zeigt beispielhaft das Brown-Vialetto-Van Laere-Syndrom. Die Betroffenen ertauben und können ihre Muskeln nicht mehr richtig steuern. Forschende des vom BMBF geförderten Verbundes mitoNET fanden die Ursache dafür heraus: Defekte im genetischen Bauplan eines Transport-Moleküls beeinträchtigen den Transport eines Vitamins in Nervenzellen. Diese Entdeckung verbessert heute die Versorgung der Betroffenen – durch die Gabe hoher Dosen von Vitamin B2.

Seltene Erkrankungen erforschen – häufige Krankheiten besser verstehen

Die Erforschung Seltener Erkrankungen kann dazu beitragen, auch häufigere Erkrankungen besser zu verstehen und deren Therapie zu verbessern. Denn oft betreffen die Seltenen Erkrankungen grundlegende biologische Prozesse. Ein Beispiel dafür ist die erbliche Osteopetrose. Bei dieser Seltenen Erkrankung ist der Knochenstoffwechsel gestört. Die Knochen verdichten sich und verdrängen andere Gewebe. Die Erforschung dieser Erkrankung lieferte auch neue Erkenntnisse zu anderen Aspekten des Knochenstoffwechsels – etwa zu dem krankhaften Knochenschwund, der Osteoporose. Diese Erkrankung, die Knochen porös werden und leicht brechen lässt, tritt häufig bei älteren Menschen auf.

Klinische Studien zu Seltenen Erkrankungen

Bevor eine neue Therapie in der Regelversorgung zugelassen wird, müssen klinische Studien ihre Wirksamkeit und Sicherheit belegen. An solchen Studien nehmen in der Regel mehrere hundert bis einige tausend Patientinnen und Patienten freiwillig teil. Klinische Studien zu Seltenen Erkrankungen sind aufgrund der niedrigen Fallzahlen oft langwierig und besonders aufwändig. Für forschende Unternehmen sind sie daher meist unwirtschaftlich und fallen durch deren Raster. Diese Lücke schließt die öffentliche Forschungsförderung.

Ein Beispiel für deren Bedeutung bietet das Alport-Syndrom, eine seltene und genetisch bedingte Nierenerkrankung. Meist schon im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter werden die Betroffenen dialysepflichtig – eine enorme Belastung für sie selbst und ihre Familien. Eine der vom BMBF geförderten klinischen Studien zeigte: Ein Medikament, das bei Erwachsenen bereits zur Blutdrucksenkung zugelassen ist, bremst die Entwicklung der Erkrankung. Die Studie zeigte auch, dass der Wirkstoff bereits bei Kindern ab zwei Jahren sicher eingesetzt werden und Schädigungen der Niere deutlich verzögern kann.

Videoportrait: Hilfe für nierenkranke Kinder

Klinische Studien im Förderspektrum des BMBF

Deutschland ist ein international wichtiger Standort der klinischen Forschung. Das BMBF fördert klinische Studien im Rahmen verschiedener Förderinitiativen.

Dossier „Klinische Forschung“

Patientendaten für klinische Studien verbessern

Um die Wirkung und Sicherheit neuer Therapien testen zu können, müssen zunächst Freiwillige gefunden werden, die alle Voraussetzungen für die Teilnahme an einer klinischen Studie erfüllen. Dafür greift die Forschung auf sogenannte Register und auch Biobanken zurück, die medizinische Daten von Patientinnen und Patienten und damit verbundene Gewebeproben aufbewahren. Durch die Analyse der Daten und Proben können Forschende jene Personen identifizieren, die alle medizinischen Voraussetzungen für die Teilnahme an einer klinischen Studie erfüllen. Ihnen kann dann die Möglichkeit zur Teilnahme angeboten werden.

Für Studien zu Seltenen Erkrankungen müssen die Forschenden bundes- und europaweit, manchmal auch weltweit nach Teilnehmenden suchen. Die Analyse ihrer Daten und Proben setzt stets ihr Einverständnis voraus und muss datenschutzrechtliche und ethische Vorgaben erfüllen. Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen sind beim Aufbau solcher Datenbanken wichtige Partner.

Ergebnisse der Gesundheitsforschung

Wissenschaftler untersucht Petrischalen mit Zellkulturen im Labor.

Seltene Stoffwechselerkrankung: Zucker als Medikament

Derzeit sind mehr als 100 verschiedene genetische Defekte der Glykosylierungs-Maschinerie des Menschen bekannt.

Der Verbund CONNECT-GENERATE erforscht autoimmunbedingte Gehirnentzündungen, damit diese schweren Erkrankungen zukünftig besser therapiert werden können.

Forschung zu seltenen autoimmunbedingten Gehirnentzündungen

Ziel des interdisziplinären Forschungsverbundes CONNECT-GENERATE ist es, das Spektrum der autoimmunbedingten Gehirnentzündungen besser zu verstehen und ein Forschungs- und Behandlungsnetzwerk für Patientinnen und Patienten aufzubauen.

Grafische Darstellung eines Mitochondriums in einer Körperzelle.

„Es gibt mindestens noch 200 unbekannte mitochondriale Erkrankungen“

Das Mitochondrium gibt Forschenden weiterhin Rätsel auf, die in einer neuen, vierten Förderperiode des Verbundes GENOMIT angegangen werden.

Der Herzmuskelstreifen eines RASopathie-Patienten (Mitte) ist im Vergleich zu dem eines gesunden Spenders (links) deutlich verdickt. Diesen Effekt konnte der hier untersuchte Wirkstoff sichtbar reduzieren (rechts).

RASopathien: Auf der Suche nach Behandlungsmöglichkeiten

RASopathien gehören zusammengenommen zu den häufigsten genetischen Erkrankungen.