Bestimmte Blutwerte warnen davor, dass nach einem Schlaganfall auch ein Herzinfarkt-Risiko bestehen kann. Kardiologen und Neurologen von zwei Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung zeigten in einer Studie, wie die Behandlung verbessert werden kann.
Patientinnen und Patienten mit einem akuten Schlaganfall erleiden häufig auch Komplikationen am Herzen. Im Einzelfall ist es für Ärztinnen und Ärzte allerdings schwer zu sagen, ob es sich um eine stressvermittelte Herzschädigung oder einen akuten Infarkt handelt, das heißt eine Durchblutungsstörung des Herzmuskels, die schnellstmöglich behandelt werden muss. Bei der medizinischen Entscheidung hilft die Bestimmung des Troponin-Wertes im Blut, eines Eiweißes aus den Herzmuskelzellen. Ist dieser Wert sehr stark erhöht, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen dringend behandlungsbedürftigen Infarkt und eine Herzkatheter-Untersuchung ist notwendig.
PRAISE-Studie belegt unerwartet viele Herzinfarkte bei Schlaganfall-Patienten
Im klinischen Alltag wird eine Herzkatheter-Untersuchung derzeit nur bei etwa ein bis zwei Prozent der Schlaganfall-Patienten durchgeführt. Das könnte sich dank einer interdisziplinären Forschungskooperation von Kardiologen und Neurologen bald ändern. Bei der Hälfte aller Schlaganfall-Patienten mit stark erhöhten Troponin-Werten lag auch ein Herzinfarkt vor, ergab die PRAISE-Studie, die gemeinsam vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK) und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) durchgeführt wurde. Laut Studie hatten 30 Prozent der Patienten einen Herzinfarkt vom Typ 2, der durch einen Sauerstoffmangel im Herzen ausgelöst wird, bei dem sich aber keine Blutgerinnsel oder Gefäßverengungen bilden. Etwa 20 Prozent der Schlaganfall-Patient hatten der Studie zufolge jedoch einen Herzinfarkt vom Typ 1, der umgehend behandelt werden musste.
„Das ist zumindest aus Sicht von Neurologen ein überraschend hoher Anteil, so viele Herzinfarkte hatten wir nicht erwartet“, sagt Professor Dr. Matthias Endres, Direktor der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie an der Berliner Charité und Forscher am DZNE-Standort Berlin. Er leitete die Studie zusammen mit seinen Charité-Kollegen Professor Dr. Christian Nolte und Professor Dr. Ulf Landmesser vom Deutschen Herzzentrum der Charité.
Neuer Troponin-Grenzwert kann bei der Therapie-Entscheidung helfen
Die PRAISE-Studie ermittelte aber noch mehr: Danach zeigt ein um mehr als fünffach erhöhter Troponin-Wert mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Herzinfarkt vom Typ 1 an. „Das ist eine relevante Erkenntnis“, so Professor Christian Nolte, „der neue Grenzwert kann helfen zu entscheiden, welche Patienten mit Schlaganfall eine Herzkatheter-Untersuchung erhalten sollten“. Liegt ein Gefäßverschluss oder eine kritische Verengung der Herzkranzgefäße vor, kann dabei ein sogenannter Stent eingesetzt werden. Damit verbindet sich die Hoffnung, die Prognose für die Schlaganfall-Patienten zu verbessern und ihre Sterblichkeitsrate zu senken.
Die PRAISE-Studie war ein erster Schritt dorthin; ihre Ergebnisse helfen den behandelnden Ärztinnen und Ärzten, die Bedeutung erhöhter Troponin-Werte bei einem akuten Schlaganfall – und damit das komplexe Zusammenspiel zwischen Herz und Gehirn – besser zu verstehen. Im nächsten Schritt wollen die Projektbeteiligten eine Behandlungsstudie durchführen, um Empfehlungen für die klinische Praxis aussprechen zu können.
DZHK und DZNE: Erfolgsbeispiel für disziplinübergreifende Zusammenarbeit
Schon jetzt aber ist die PRAISE-Studie ein Beleg für erfolgreiche Zusammenarbeit über die Grenzen wissenschaftlicher Disziplinen hinweg: Bei der deutschlandweit durchgeführten Untersuchung arbeiteten Kardiologen und Neurologen auf allen Ebenen eng zusammen – von der Antragstellung bis hin zur Zusammensetzung der Studienteams in den 26 beteiligten Kliniken. An der Studie nahmen 254 Patientinnen und Patienten mit einem akuten Schlaganfall und stark erhöhten Troponin-Werten teil. Das DZHK und das DZNE förderten die Studie über vier Jahre mit rund einer Million Euro; beide Forschungseinrichtungen gehören zu den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiierten Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) – ein in der medizinischen Forschung weltweit einzigartiges Modell der Kooperation und Vernetzung.
Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung
Um Forschungskompetenzen bei der Bekämpfung von Volkskrankheiten zu bündeln, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit den Ländern die Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) gegründet. Sie widmen sich den Krankheitsbereichen Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Infektionen, Krebs, Lungen- und Neurodegenerativen Erkrankungen. An Standorten in ganz Deutschland bündeln universitäre und außeruniversitäre Partner ihre Kapazitäten und Expertisen für eine international konkurrenzfähige Spitzenforschung. Die DZG werden zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent von denjenigen Bundesländern gefördert, in denen ihre Mitgliedseinrichtungen ihren Sitz haben. Das kooperative Forschungsmodell der DZG soll auf weitere Krankheitsbereiche ausgeweitet werden: Das künftige Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) und das künftige Deutsche Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit (DZKJ) befinden sich derzeit in der Aufbauphase.