Die gute Nachricht lautet: Wir werden immer älter! In Zukunft müssen wir daher auch immer mehr ältere Menschen bestmöglich versorgen – und ihnen Gesundheit und eine selbstständige Lebensführung ermöglichen. Hier ist die Forschung gefragt.
Hygiene, Ernährung und Medizin haben in den vergangenen hundert Jahren enorme Fortschritte erzielt. Ein Blick auf die durchschnittliche Lebenserwartung belegt dies eindrücklich: Ein heute 65jähriger Mann kann im Durchschnitt davon ausgehen, dass er noch 17 Jahre leben wird. Bei einer Frau im selben Alter sind es 20 Jahre. Wer heute als Junge geboren wird, kann sich statistisch auf 78 Lebensjahre freuen, ein Mädchen auf 83 Jahre. Alles in allem leben wir heute rund doppelt so lange wie noch vor 100 Jahren (Statistisches Bundesamt).
Die Moderne hat aber nicht nur eine höhere Lebenserwartung gebracht. Sie hat in vielen Ländern auch dazu geführt, dass weniger Kinder geboren werden. Beides zusammen führt zu einem Phänomen, das in der Wissenschaft die demographische Alterung der Bevölkerung genannt wird. Die bekannte Bevölkerungspyramide mit vielen jungen und wenigen älteren Menschen wandelt sich in einen Bevölkerungsbaum, bei dem die „älteren Semester“ dominieren. Im Jahr 2060 wird in Deutschland voraussichtlich jeder Dritte über 65 Jahre alt sein. Im Jahr 2065 jeder Achte sogar über 80 Jahre.
Alter: Was ist das eigentlich?
Für den einzelnen Menschen ist das Altern ein Phänomen, das persönliche, soziale und körperliche Dimensionen hat. Die Leistungsfähigkeit des Körpers lässt im Alter generell nach, wobei der Zeitpunkt, ab dem das spürbar wird, sehr unterschiedlich sein kann.
Bei der geistigen Leistungsfähigkeit ist die Situation komplizierter. Älteren Menschen fällt es tendenziell schwerer als jungen Menschen, neue Dinge zu lernen. Auch Kurzzeitgedächtnis, Reaktionsvermögen und die Sinnesleistungen werden eher schlechter. Umgekehrt steigt die Lebenserfahrung, wodurch vieles kompensiert werden kann.
Welche Bedürfnisse haben ältere Menschen, wenn sie gesundheitlich eingeschränkt sind? Und wie möchten sie versorgt werden? Antworten auf Fragen wie diese geben die „Studien der Versorgungs- und Pflegeforschung für ältere und hochbetagte Menschen“. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln und untersuchen die Wirkungen von Versorgungs- und Pflegekonzepte, die speziell auf die Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten sind. Im Vordergrund stehen dabei Faktoren wie die Selbstbestimmung, die soziale Teilhabe sowie die gesundheitsbezogene Lebensqualität.
Multimorbidität und Polypharmazie
Viele ältere Menschen leiden gleichzeitig unter mehreren Erkrankungen. Fachleute sprechen in diesem Fall von Multimorbidität. Diese hat zur Folge, dass sich die vorhandenen Symptome unter Umständen nicht eindeutig einer bestimmten Erkrankung zuordnen lassen.
Viel stärker als bei jungen Menschen muss im Alter zudem darauf geachtet werden, dass alle Therapien gut miteinander harmonieren. Denn multimorbide Menschen nehmen oftmals viele unterschiedliche Medikamente ein. Dies kann dazu führen, dass sich unerwünschte Arzneimittelwirkungen verstärken und zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen.
Krankheiten aktiv verhindern
Aber auch ältere Menschen können ihre Gesundheit stärken und Krankheiten gezielt vorbeugen. Regelmäßiger Sport und Bewegung sowie eine gesunde, ausgewogene Ernährung sind hier nur zwei von vielen Beispielen. Dabei bewirken erfolgreiche Prävention und gesundheitsförderliche Maßnahmen zweierlei: Sie steigern Wohlbefinden und Gesundheit und bergen zugleich Einsparpotenziale für die Gesundheits- und Sozialsysteme.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsverbundes „AEQUIPA - Körperliche Aktivität, Gerechtigkeit und Gesundheit: Primärprävention für gesundes Altern" entwickeln, erproben und bewerten Bewegungsprogramme für ältere Menschen. Ihr Ziel ist es, ein Angebot zu erarbeiten, das den Alterungsprozessen – beispielsweise dem Muskelabbau – gezielt entgegenwirkt und Seniorinnen und Senioren gleichermaßen anspricht. Die Angebote sollen die älteren Menschen auch durch den Einsatz unterstützender Technologien zu mehr Bewegung motivieren. Darüber hinaus erarbeiten die Forschenden gemeinsam mit ausgewählten Gemeinden kommunale Gesundheitsförderungsstrategien. Somit arbeiten Forschende und Akteure aus Praxis und Politik eng zusammen, damit die Angebote die Menschen tatsächlich auch erreichen.
Der Schutz vor Infektionen ist für ältere Menschen ebenfalls sehr wichtig. Denn im höheren Alter verlaufen Infektionen häufig schwerwiegender als bei jüngeren Menschen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch Instituts empfiehlt daher allen Menschen ab sechzig Jahren eine jährliche Impfung gegen die saisonale Grippe sowie eine zumindest einmalige Impfung gegen Pneumokokken, die Erreger der Lungenentzündung.
Alter als medizinische und soziale Herausforderung
Die zunehmende Alterung stellt Medizin und Gesellschaft vor große Herausforderungen: Wie kann älteren Menschen ein selbstständiges Leben im gewohnten sozialen Umfeld, in den eigenen vier Wänden, ermöglicht werden? Was ist zu tun, um die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sowie Lebensqualität im Alter zu erhalten? Wie kann ein leistungsfähiges Versorgungssystem für immer mehr chronisch kranke Menschen organisiert werden, wenn gleichzeitig durch den demographischen Wandel weniger Geld zur Verfügung steht? Fragen wie diese sind bisher nur teilweise beantwortet. Die Forschung kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie neue Versorgungskonzepte und innovative Technologien auf ihre Tauglichkeit hin überprüft.
Für die Versorgung älterer Menschen fehlen in vielen Bereichen wissenschaftlich abgesicherte Empfehlungen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat daher die „Förderung klinischer Studien mit hoher Relevanz für die Versorgung älterer und hochaltriger Patientinnen und Patienten“ ins Leben gerufen. Durch die Maßnahme werden klinische Studien, systematische Übersichtsarbeiten und methodische Forschungsprojekte unterstützt, die dazu beitragen, den Bedürfnissen und Wünschen älterer Menschen gerecht zu werden.