Um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 eindämmen zu können, griffen Forschende auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurück, die im Zusammenhang mit einem anderen Virus gewonnen wurden: dem MERS-Coronavirus (MERS-CoV).
Ursprünglich lag der Fokus des Forschungsverbundes „RAPID – Risikobewertung bei präpandemischen respiratorischen Infektionserkrankungen“ auf einem nahen Verwandten des Coronavirus SARS-CoV-2. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschten das MERS-Coronavirus, das seit 2012 mehrfach Krankheitsausbrüche beim Menschen hervorgerufen hat. Die Abkürzung MERS steht für „Middle Eastern Respiratory Syndrome“, weil auch dieser Erreger Atemwegserkrankungen auslöst; er tritt vor allem in Ländern der arabischen Halbinsel auf. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert den Forschungsverbund RAPID seit 2017.
Sowohl MERS-CoV als auch SARS-CoV-2 gehören zur Familie der Coronaviren. So konnten die Forschenden des Verbundes schnell auf die SARS-CoV-2-Pandemie reagieren. Ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse trugen zu folgenden Erfolgen bei:
Bereits Mitte Januar 2020 wurde der erste PCR-Test entwickelt, der SARS-CoV-2 sicher nachweisen konnte. Die Forschenden um den Virologen Professor Dr. Christian Drosten hatten bereits 2013 den ersten Test zur Bestimmung von MERS-CoV entwickelt, auch hier unterstützt durch eine BMBF-Förderung. Ihre Expertise konnten sie umgehend auf SARS-Coronavirus-2 anwenden.
Arbeiten im BMBF-Verbund RAPID und im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung haben hierzu beigetragen.
Das Protein TMPRSS2 ermöglicht es Coronaviren, wie beispielsweise MERS-CoV, ihre Wirtszellen zu infizieren. Die Forschenden konnten zeigen, dass dies auch auf SARS-CoV-2 zutrifft. Bereits vorhandene Medikamente könnten dazu genutzt werden, dieses Protein zu blockieren, wie Untersuchungen am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ) zeigen.
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Eine Untersuchung der ersten COVID-19-Patientinnen und -Patienten in Deutschland zeigte, dass das Virus von Mensch zu Mensch leicht übertragen werden kann. Es kann sich bereits im Rachenbereich vermehren und muss hierzu nicht in die Lunge gelangen. Das neue Testverfahren ermöglichte diese frühe Erkenntnis.
Neue Erreger einschätzen, Potenzial für Pandemien bewerten
Ziel des Forschungsverbunds RAPID ist es, Gefahren durch Viren abzuschätzen, die vom Tier auf den Menschen übergehen. Untersucht wird hierbei auch das Potenzial, das solche Viren für Pandemien haben. Bereits 2017 prognostizierten die Forschenden, dass sogenannte respiratorische Viren, die sich in den menschlichen Atemwegen vermehren, besonders gefährlich werden können.
RAPID: Teil des nationalen „Forschungsnetz Zoonotische Infektionserkrankungen“
Der Verbund RAPID ist Teil des vom BMBF geförderten „Forschungsnetz Zoonotische Infektionserkrankungen“. Expertengruppen aus der Universitätsmedizin, des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, der Veterinärmedizin und Tiergesundheit sowie aus Einrichtungen der Grundlagenforschung arbeiten im Verbund disziplinübergreifend zusammen. Der Verbund wird von Professor Dr. Christian Drosten (Charité – Universitätsmedizin Berlin) koordiniert. Das BMBF fördert den Verbund RAPID seit 2017 mit rund 2,9 Millionen Euro.
Forschungsnetz Zoonotische Infektionserkrankungen
RAPID ist einer von sieben Verbünden, die das BMBF im nationalen „Forschungsnetz Zoonotische Infektionserkrankungen“ fördert. Neben Coronaviren werden andere bedeutsame Krankheitserreger erforscht, die zwischen Tier und Mensch übertragen werden können, beispielsweise Borna-, und Hanta-Viren, Coxiellen und multiresistente Keime aus der Nutztierhaltung. Zudem werden sechs Nachwuchsgruppen sowie ein Koordinierungsprojekt mit verschiedenen Vernetzungsprojekten und Projekten des öffentlichen Gesundheitsdienstes und des Veterinärwesens gefördert.
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Fokus Öffentlicher Gesundheitsdienst: Die Bevölkerung soll unmittelbar profitieren
Wenn ein neuer Krankheitserreger beim Menschen auftritt, muss der Öffentliche Gesundheitsdienst in kurzer Zeit Risiken solide einschätzen, um die Bevölkerung warnen und schützen zu können. Der Verbund RAPID hat Ergebnisse und neue Techniken bereitgestellt, auf die der Öffentliche Gesundheitsdienst seine Entscheidungen stützen kann. Das Robert Koch-Institut (RKI), die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention, ist mit einer eigenen Arbeitsgruppe Forschungspartner bei RAPID.
Mit dem Auftreten von SARS-CoV-2 konnten viele Forschungsarbeiten von RAPID umgehend für die Bevölkerung genutzt werden: So wurde beispielsweise der neue Diagnostik-Test im deutschen Gesundheitssystem verankert.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst ist ein Teil des Gesundheitswesens in Deutschland. Seine Aufgabe ist der Schutz, der Erhalt und die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung. Der Öffentliche Gesundheitsdienst umfasst Einrichtungen der Gesundheitsverwaltung auf unterschiedlichen Ebenen: Die höchste Instanz ist das Bundesministerium für Gesundheit. Ihm unterstellt sind Bundesbehörden mit verschiedenen Aufgaben. Hierzu zählt beispielsweise das Robert Koch-Institut, das verantwortlich ist für die Überwachung, Erkennung und Verhütung von Erkrankungen. Auf Länderebene existieren die Landesgesundheitsministerien und Landesämter bzw. Landesinstitute für Gesundheit, vor Ort die Gesundheitsämter.
Impfstofftestung bei Tier und Mensch
Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wurde in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) ein Impfstoff gegen MERS-CoV entwickelt und klinisch getestet. Ersten Studien zufolge bietet das Vakzin bei dreimaliger Impfung auch zwei Jahre später noch einen robusten Schutz. Im Verbund RAPID wird ergänzend erforscht, ob dieser auch beim Tier wirkt. Getestet werden Dromedare. Da das Virus durch Dromedare übertragen werden kann, wäre eine Impfung dieser Nutztiere ein wichtiger Schutz. Hierdurch wird der sogenannte „One Health“-Forschungsansatz realisiert. Dieser Ansatz betrachtet die Gesundheit von Mensch und Tier in einem ganzheitlichen Weltbild.
MERS – das „Atemwegssyndrom aus dem Mittleren Osten“
Das MERS-Coronavirus (MERS-CoV) löst Beschwerden aus, die der SARS-Erkrankung aus den Jahren 2002/03 und der in 2019 neu aufgetretenen Erkrankung COVID-19 ähneln. Zu den Symptomen gehören unter anderem Fieber, Husten, Magen-Darm-Beschwerden und Kurzatmigkeit. Auch Nierenversagen und Lungenentzündungen können auftreten. Bei schweren Krankheitsverläufen kann ein akutes Atemnotsyndrom auftreten und bis zum Tod führen. MERS kann jedoch auch mild und ohne Symptome verlaufen. Erstmals wurde MERS-CoV 2012 bei einem Patienten isoliert, der mit einer akuten Lungenentzündung in ein saudi-arabisches Krankenhaus eingeliefert worden war. Die Weltgesundheitsorganisation hat bis 2019 rund 2.500 laborbestätigte MERS-CoV-Infektionen verzeichnet, etwa 850 Betroffene starben.
Wie SARS-CoV-2 stammt auch MERS-CoV vermutlich aus dem Tierreich. Man geht davon aus, dass die im Mittleren Osten als Nutztiere gehaltenen Dromedare den Viren als Reservoir dienen. In ihnen können die Viren dauerhaft überleben und jederzeit auf den Menschen übertragen werden.
Eine Pandemie durch das MERS-Coronavirus?
MERS-CoV ist bisher nicht gut an den Menschen angepasst. Ähnlich wie beim SARS-Coronavirus gibt es jedoch eine große Zahl von MERS-Virusarten, von denen viele Unterarten unerforscht sind. Veränderungen des Virus, die einen Übergang zum Menschen und gleichzeitig eine höhere Ansteckungsgefahr zwischen Menschen mit sich bringen, könnten eine Pandemie auslösen. Deshalb wurde auch MERS-CoV als ein möglicher „präpandemischer Infektionserreger“ eingestuft und wird intensiv erforscht.
(aktualisiert im Oktober 2022)