SARS-CoV-1: Relevante Erkenntnisse für die SARS-CoV-2-Pandemie

Die Erforschung des 2003 aufgetretenen SARS-Coronavirus-1 brachte grundlegende Erkenntnisse und etablierte neue Forschungsmethoden, von denen die Wissenschaft heute profitiert. Entscheidende Vorarbeiten leistete ein BMBF-geförderter Forschungsverbund.

Fledermaeuse

Das Coronavirus SARS-CoV-1 stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Fledermäusen.

Cucu Remus/iStock

In den Jahren 2002/2003 breitete sich ein bis dahin unbekanntes Coronavirus aus. Ähnlich wie bei COVID-19 trat bei vielen Betroffenen ein schweres akutes Atemwegssyndrom auf (severe acute respiratory syndrome, kurz „SARS“). Der „SARS-CoV-1“ genannte Erreger infizierte damals mehr als 8.000 Menschen in 26 Ländern der Erde und führte bei vielen Infizierten zu schweren Lungenentzündungen; weltweit verstarben etwa 800 Menschen.

Startschuss für die Erforschung gefährlicher Coronaviren

Zur Erforschung des Virus brachte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter dem Dach des Förderschwerpunktes „Zoonotische Infektionskrankheiten“ den interdisziplinären Forschungsverbund „Ökologie und Pathogenese von SARS“ auf den Weg.

Die Arbeiten in diesem „SARS“-Verbund lieferten Antworten auf drei Kernfragen: Woher kam das damals neue Virus SARS-CoV-1? Warum konnte der Erreger überhaupt erfolgreich auf den Menschen übergehen? Und warum ist er für den Menschen so gefährlich?

Dieses Wissen ist relevant für die Bekämpfung des Ende 2019 erstmals aufgetretenen Virus SARS-CoV-2, denn beide Viren haben eine hohe genetische Ähnlichkeit und wurden zusammen in der Spezies der „SARS-assoziierten Coronaviren“ eingeordnet.

Ursprung im Tierreich: Fledermäuse als Schlüssel?

Die Forschenden im „SARS“-Verbund konnten zeigen, dass SARS-CoV-1 mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Ursprung in Fledermäusen hatte. Sie untersuchten hierzu Fledermausarten aus Asien, Europa, Süd- sowie Mittelamerika. Diese Fledermäuse trugen eine Vielzahl bislang unbekannter Coronaviren in sich und gelten seither als wichtiges tierisches Reservoir dieser Viren. Aus den Analysen entstanden über 300 Säugetier-Zellkulturen, gleichsam ein reicher Forschungsfundus zur Analyse und Abgrenzung neuer Coronaviren. Auch SARS-CoV-2 weist bisherigen Erkenntnissen zufolge eine hohe Ähnlichkeit zu Fledermaus-Coronaviren auf.

Die Speziesbarriere: Wann kann ein Virus vom Tier auf den Menschen übergehen?

Meist ist ein Virus an eine bestimmte Tierart angepasst und kann andere Tierarten nicht infizieren. Das liegt beispielsweise daran, dass ein Virus ein bestimmtes „Einstiegstor“ auf einer Zelle braucht, das es ihm ermöglicht, in diese einzudringen, um sich zu vermehren. Neben den Einstiegstoren, den sogenannten Rezeptoren, können manchmal auch weitere Eiweiße notwendig sein, die beispielsweise Teile des Virus spalten und so erst passend für den Rezeptor machen. Solche Zelleintritts-Möglichkeiten können sich zwischen Tierarten unterscheiden und stellen daher eine „Speziesbarriere“ dar.

Die Forschenden im „SARS“-Verbund untersuchten die Mechanismen, die SARS-CoV-1 den Eintritt in menschliche Körperzellen ermöglichen. Dabei nahmen sie die sogenannten „Spike“-Proteine in den Blick, die wie Dornen („spikes“) auf der Oberfläche des Virus sitzen und für den Zelleintritt entscheidend sind. Auch konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Protein identifizieren, das SARS-CoV-1 hilft, an den Rezeptor anzudocken. Die Untersuchung dieses Proteins mit dem Kürzel TMPRSS2 wird seither weiterverfolgt, so zum Beispiel im BMBF-Forschungsverbund RENACO. Auch für SARS-CoV-2 könnte dies relevant sein, denn ein Wirkstoff, der das Andocken blockiert, existiert bereits.
Mehr zum Forschungsverbund RENACO

Gefährliche Wirkung im Menschen: Fokus Immunantwort

SARS-CoV-1 kann einen wichtigen Schutzmechanismus des Körpers beeinträchtigen: die Interferon-Antwort der infizierten Zelle. Diese koordiniert normalerweise Botenstoffe des Immunsystems, um ein Virus zu bekämpfen. Daneben löst SARS-Cov-1 einen besonderen Signalweg aus, um sich in der Zelle effizient vermehren zu können. Auch dieser beeinflusst das menschliche Immunsystem. Im „SARS“-Verbund wurden beide Mechanismen und mögliche Gegenmittel analysiert. Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) erforscht solche potenziellen Behandlungsoptionen für Coronaviren nun tiefergehend, nachdrücklich auch mit Blick auf SARS-CoV-2.
Mehr zur SARS-CoV-2-Forschung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF)

Verbundförderung des BMBF: Fachübergreifende Bündelung von Expertise

Der Forschungsverbund „Ökologie und Pathogenese von SARS“ wurde 2007 im Förderschwerpunkt „Zoonotische Infektionserkrankungen“ etabliert und durch das BMBF bis 2014 mit insgesamt 5,6 Millionen Euro gefördert. Die erfolgreiche Kooperation der Arbeitsgruppen wurde ab 2017 im Rahmen des nationalen „Forschungsnetz Zoonotische Infektionserkrankungen“ fortgesetzt und erweitert im Verbund „RAPID – Risikobewertung bei präpandemischen respiratorischen Infektionserkrankungen“.

Im „SARS“-Verbund haben sieben Arbeitsgruppen aus der Human- und Tiermedizin sowie der Biologie disziplinübergreifend zusammengearbeitet. Die Forschenden wandten ein breites methodisches Spektrum an, das von der Zellkultur-Forschung und systembiologischen Ansätzen über genetische Methoden bis hin zur Untersuchung verschiedener Tiermodelle reichte.

 (aktualisiert im Oktober 2022)

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