Ob eine Therapie bei Blutkrebs ansprechen wird, ist vorher oft nicht absehbar. Eine e:Med-Forschungsgruppe aus Heidelberg hat nun Veränderungen gefunden, aufgrund derer Patientinnen und Patienten künftig gezielter behandelt werden können.
Die chronisch lymphatische Leukämie (CLL) ist eine häufige Form des Blutkrebses. Ausgelöst wird sie durch sehr viele verschiedene genetische Veränderungen. Entsprechend wirken die bestehenden Therapieansätze auch sehr unterschiedlich. „Für die Behandlung ist es enorm wichtig, vorhersagen zu können, ob und wie eine bestimmte Therapie bei dem jeweiligen Erkrankten anschlägt“, erläutert Dr. Sascha Dietrich vom Universitätsklinikum in Heidelberg. „Bislang ist das allerdings nur sehr eingeschränkt möglich. Dies liegt auch daran, dass zu wenige eindeutige Merkmale bekannt sind, anhand derer eine passende Therapie ausgewählt werden kann.“
Mit Systemmedizin die Variation in der Medikamentenwirkung untersuchen
Gemeinsam mit seiner e:Med-Nachwuchsgruppe am Universitätsklinikum Heidelberg und seinen Kooperationspartnern am EMBL (Wolfgang Huber) und DKFZ (Thorsten Zenz) durchsuchte Dietrich das Erbgut von Blutkrebszellen nach eben diesen Merkmalen. Dabei stand neben der Sequenzierung des Genoms auch die Untersuchung ihrer epigenetischen Veränderungen im Mittelpunkt – also der Faktoren, die die Genaktivität zeitweilig beeinflussen. Das interdisziplinäre Team aus der Medizin, Biologie, Mathematik und Informatik hat 246 unterschiedliche Blutkrebszellen auf 63 verschiedene Medikamente getestet. Und wirklich, sie entdeckten eine Vielzahl von molekularen und genetischen Veränderungen in diesen Zellen. Mit mathematischen Modellen verknüpften sie die Datensätze und ordneten die Veränderungen den Wirkweisen der Medikamente zu.
Epigenetik
Organismen reagieren mithilfe epigenetischer Veränderungen auf äußere Einflüsse oder steuern gezielt die Funktion einzelner Zellen. Unter anderem werden kleine Moleküle, sogenannte Methylgruppen, an bestimmte Bereiche des Erbguts angehängt. Je nach Region können so beispielsweise bestimmte Gene ein- oder ausgeschaltet werden. Da die Basenfolge der Erbsubstanz jedoch nicht verändert wird, können diese Modifizierungen bei Bedarf angepasst werden.
Biomarker helfen bei der Therapieauswahl
So gelang es den Forschenden, für mehr als die Hälfte der getesteten Medikamente mindestens zwei genetische Veränderungen zu finden, die in den Krebszellen eine besonders gute oder schlechte Sensitivität einem bestimmten Medikament gegenüber definieren. Zudem fanden sie molekulare Veränderungen, die ebenfalls ausschlaggebend für den Therapieerfolg sein können.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben darüber hinaus in mathematischen Modellen viele genetische und epigenetische Parameter kombiniert, um die Medikamentensensitivität vorherzusagen. Diese mathematischen Modelle implizieren, dass die Kombination vieler Parameter eine bessere Vorhersagekraft besitzt, als ein einzelner Parameter allein. Interessanterweise sind die für die Sensitivität wichtigen Parameterkombinationen für verschiedene Medikamente sehr unterschiedlich.
Erkenntnisse in den klinischen Alltag bringen
Damit Patienten von diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen profitieren können, müssen die Laborverfahren für den klinischen Einsatz optimiert werden. Das Forscherteam arbeitet daher daran, die Sensitivität der Tests zu steigern, damit auch Proben anderer Tumorerkrankungen mit wenig Tumor-Material aus kleinen Tumorbiopsien untersucht werden können. Im nächsten Schritt werden die Tests dann in den klinischen Alltag überführt. Ist dies gelungen, könnte es bald möglich sein, anhand von Biomarkern die optimale Therapie zu identifizieren und gezielt einzusetzen.