Verbund

DecEnt - Ethische, praxeologische und neurowissenschaftliche Aspekte von Decisional Enhancement

Die neurowissenschaftliche Forschung liefert kontinuierlich neue Erkenntnisse zu Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns. Sie trägt dazu bei, menschliche Entscheidungen, Verhaltensweisen, Emotionen und soziale Interaktionen besser zu verstehen. Innovationen in diesem Bereich haben aber auch ein hohes Nutzungspotenzial für Diagnose und Therapie verschiedener neurologischer oder psychiatrischer Erkrankungen. Jedoch sind sie auch mit Risiken verbunden, da ihre Anwendung das menschliche Wesen und unsere Entscheidungen beeinflussen können. Es ist daher wichtig, Chancen und Risiken, die sich aus dem technischen und methodischen Fortschritt ergeben, zu identifizieren und zu bewerten.

Das Projekt DecEnt ist Teil der BMBF-Förderrichtlinie zur Förderung von Forschungsprojekten zu ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten der Neurowissenschaften. Ziel dieser Maßnahme ist es, die ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Implikationen in den Neurowissenschaften zu identifizieren. Der Stand des Wissens wird erweitert und somit ist die wissenschaftliche Grundlage für einen informierten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurs gelegt.

Im Alltag treffen Menschen häufig Entscheidungen, von denen sie wissen, dass diese ungünstig für sie sind (z. B. keinen Sport zu treiben). Bestehende wissenschaftliche Konzepte, menschliche Entscheidungsfindung zu verbessern („Decisional Enhancement“), weisen ethische Herausforderungen und Risiken auf. Das Projekt erarbeitet, wie Entscheidungen verbessert werden können und dieses Enhancement ethisch akzeptabel angewendet werden kann. Dabei geht der Verbund Fragen nach wie: Was genau sind Entscheidungshilfen und Autonomieunterstützung? Wie kann das Design von technischen Hilfsmitteln eine Entscheidung beeinflussen, vor allem verbessern? Was genau geschieht eigentlich im Körper und Gehirn während einer Entscheidung und während ich in meiner Entscheidung beeinflusst werde?

Teilprojekte

Ethik

Förderkennzeichen: 01GP2210A
Gesamte Fördersumme: 335.885 EUR
Förderzeitraum: 2023 - 2026
Projektleitung: Prof. Dr. Saskia Nagel
Adresse: Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Fakultät 7, Philosophische Fakultät, Lehr- und Forschungsgebiet Angewandte Ethik
Theaterplatz 14
52062 Aachen

Ethik

Menschen könnten von besseren Entscheidungen profitieren. Versuche, menschliche Entscheidungsprozesse zu verbessern, lassen sich unter dem Konzept "Enhancement von Entscheidungen" (decisional enhancement) zusammenfassen. So lobenswert diese Ansätze sind, sind sie nicht ohne ethische Herausforderungen und Risiken. Die größte Sorge besteht darin, dass solche Enhancements die Autonomie, Entscheidungen zu treffen, einschränken. Dieses Projekt schlägt mit der Idee einer Autonomieunterstützung (autonomy support) ein ethisch akzeptables Modell vor, in welchem das Enhancement von Entscheidungen Platz findet. DecEnt untersucht die ethischen Implikationen von Enhancement von Entscheidungen mit einem reichen Methodenrepertoire aus konzeptueller und normativer Analyse, innovativen praxeologischen Perspektiven und neurowissenschaftlichen Studien zu Entscheidungen. Das Projekt erarbeitet ein nuanciertes Verständnis dessen, wie Entscheidungen verbessert werden können, und schlägt vor, wie Enhancements von Entscheidungen auf ethisch akzeptable Weise angewendet werden können. DecEnt verspricht, zukünftigen Versuchen, Entscheidungen zu verbessern, eine ethisch gerechtfertigte, wissenschaftlich fundierte und technologisch erprobte Basis zu bereiten.

Praxeologie

Förderkennzeichen: 01GP2210B
Gesamte Fördersumme: 333.017 EUR
Förderzeitraum: 2023 - 2026
Projektleitung: Prof. Dr. Marc Hassenzahl
Adresse: Universität Siegen, Fakultät III, Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftsrecht, Ubiquitous Design/ Experience & Interaction
Kohlbettstr. 15
57072 Siegen

Praxeologie

Das übergeordnete Ziel des Verbunds-Projekts ist es, ein umfassendes Verständnis darüber zu entwickeln, was ethisch akzeptable Entscheidungs-Enhancement (Unterstützung) ausmacht. Die Ziele werden unter Verwendung eines integrierten konzeptionellen und normativen, praxeologischen und neurowissenschaftlichen Ansatzes, der das ELSA-Methodenrepertoire erweitert verfolgt. Dieses Teilprojekt adressiert eine empirische Perspektive auf autonomiebewahrende oder gar förderliche Entscheidungsunterstützung. Mit einem praxeologischen Ansatz werden typische, alltägliche Formen des Entscheidens, sogenannte Entscheidungspraktiken, in verschiedenen Domänen empirisch gesammelt (in der Regel durch Beobachtungsinterviews) und im Hinblick auf autonomieförderliche Bedingungen und die Rolle von externer, technologischer Unterstützung analysiert. Ziel des Teilvorhabens ist es, autonomieförderliche Entscheidungsunterstützung in den Alltag einzubetten, um so nicht nur das Entscheidungsergebnis zu verbessern, sondern auch den Entscheidungsprozess im Hinblick auf subjektives Wohlbefinden und die damit verbundene Akzeptanz von Unterstützung zu verbessern. Dazu werden Bürger als Entscheider und Nutzer möglicher Entscheidungsunterstützung kontinuierlich eingebunden. Dies erfolgt sowohl über eine initiale Sammlung von Entscheidungspraktiken im Teilvorhaben als auch über die partizipative Gestaltung neuer autonomieförderlicher Entscheidungsunterstützungssysteme. Im Rahmen der dazu nötigen Befragungen und Beobachtungen werden auch Formate wie Bürgerlabore durchgeführt. Erkenntnisse fließen dann in Konzepte zur autonomieförderlichen Gestaltung technischer Entscheidungsunterstützung, die partizipativ gestaltet, prototypisch umgesetzt und in Feldstudien im Alltag empirisch untersucht werden.

Neurowissenschaft

Förderkennzeichen: 01GP2210C
Gesamte Fördersumme: 283.523 EUR
Förderzeitraum: 2023 - 2026
Projektleitung: Prof. Dr. Soyoung Park
Adresse: Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal

Neurowissenschaft

Unter Verwendung eines integrierten konzeptionellen und normativen, praxeologischen und neurowissenschaftlichen Ansatzes, der das ELSA-Methodenrepertoire erweitert, werden folgende Ziele verfolgt: 1) Auf konzeptioneller Ebene wird ein Beitrag zur Analyse und zum Verständnis von Entscheidungshilfen und Autonomieunterstützung geleistet. 2) Auf empirischer Ebene erfolgt die Konzeption eines praxeologisch, interventionsorientierten Ansatz für technologievermittelte Entscheidungsverbesserungen als Interventionen zur Umgestaltung von Entscheidungspraktiken. 3) Auf neurowissenschaftlicher Ebene werden neuronale und physiologische Mechanismen untersucht, die der Verbesserung der Entscheidungsfindung zugrunde liegen, um herauszufinden, wie Entscheidungsprozesse optimal unterstützt werden können. 4) Auf normativer Ebene werden normative Implikationen von Entscheidungsverbesserungen aufgezeigt und ethische Leitplanken für deren Umsetzung entwickelt. Die Kombination von Ansätzen wird/soll helfen, systematisch zu analysieren, wie Entscheidungen in verschiedenen Kontexten verbessert werden können. Letztlich trägt dies zu einem besseren Verständnis bei, wie Technologie gestaltet werden kann und sollte, um Entscheidungspraktiken in einer unterstützenden, jedoch autonomieschonenden oder sogar autonomiefördernden Weise zu gestalten. Das Projekt wird sowohl aktuelle, mittelfristige als auch längerfristige Perspektiven von Entscheidungsunterstützung untersuchen.