Gutes Fett, schlechtes Fett

Im Gespräch mit Prof. Gerhard Jahreis, Emeritus am Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Jena

Herr Prof. Jahreis, was versteht man unter „guten“ und „schlechten“ Fetten?

Zunächst möchte ich etwas klarstellen: Fette gehören zu den Grundnährstoffen und sind für unsere Gesundheit unverzichtbar. Ungesund wird es erst, wenn wir zu viel davon essen. Und wir sollten darauf achten, welche Fette wir wählen. Entscheidend ist ihr Gehalt an gesättigten und ungesättigten Fettsäuren; optimal ist ein Verhältnis von 1:2. Davon sollte mehr als ein Drittel des aufgenommenen Fettes aus einfach ungesättigten Fettsäuren, vorzugsweise Ölsäure, bestehen. Unter den mehrfach ungesättigten Fettsäuren sollten möglichst viele Omega-3-Fettsäuren sein.

Was sind ungesättigte Fettsäuren?

Fettsäuren bestehen aus Ketten von bis zu 26 Kohlenstoffatomen, die durch einfache oder doppelte Bindungen chemisch verknüpft sind. Liegen eine oder mehrere Doppelbindungen vor, so spricht man von einfach oder mehrfach ungesättigten Fettsäuren, andernfalls von gesättigten. Einige wichtige Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren gehören – ähnlich den Vitaminen – zu den essenziellen Nährstoffen: Der menschliche Körper braucht sie zum Leben, kann sie aber nicht selbst herstellen, sondern nur mit der Nahrung aufnehmen.

Welche Fettquellen sind besonders gesund und warum?

Zu den „guten“ Fetten gehören Fischöl sowie pflanzliche Öle aus Raps, Oliven, Leinsamen, Algen oder Echium. Denn alle diese Öle enthalten einen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren oder sind reich an Ölsäure. In tierischen Fetten, aber auch im Öl von Sonnenblumen oder Mais überwiegen dagegen die Omega-6-Fettsäuren. Unser Körper produziert aus den langkettigen Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren hormonähnliche Substanzen, die Eicosanoide. Die Eicosanoide aus Omega-3-Fettsäuren senken durch ihre Wirkung auf die Blutgefäße ganz erheblich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Leinsamen und -blüten

Leinsamen enthält besonders viele ungesättigte Fettsäuren. Sofern sie gequetscht oder aufgebrochen verzehrt werden, können sie durch ihre entzündungshemmende Wirkung Rheumaerkrankungen vorbeugen und lindern.

i-Stock/Volosina

Wie könnte man den Konsum dieser gesunden Öle ankurbeln?

Genau das haben wir mit dem vom Bundeministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt Allipids geprüft. Wir wollten keine neuen Lebensmittel auf den Markt bringen, die dann womöglich keiner kaufen mag, eben weil man sie nicht kennt. Stattdessen haben wir übliche Lebensmittel genommen – Brötchen, Wurst, Milchprodukte, Snacks und verschiedene süße oder herzhafte Brotaufstriche – und mit Ölen angereichert, die viele Omega-3-Fettsäuren haben. Diese Produkte haben unsere Industriepartner hergestellt. Das Problem dabei ist, dass die Öle ein bisschen fischig schmecken und schnell ranzig werden. Die Herausforderung bestand nun darin, diesen störenden Geschmack auszuschalten.

Prof. Gerhard Jahreis

Prof. Gerhard Jahreis, Emeritus am Institut für Ernährungs-wissenschaften der Universität Jena

Jan-Peter Kasper

Wie haben Sie das Problem gelöst?

Das haben unsere Partnerinnen und Partner vom Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin und vom Karlsruher Institut für Technologie geschafft. Sie haben verschiedene Varianten entwickelt, um Emulsionen herzustellen. Dabei wird das Fett in kleinen Tröpfchen verkapselt. Das hat mehrere Vorteile: Zum einen wird es dadurch geschmacklos und lässt sich gut in Wasser lösen. Das heißt, man kann es in Getränke einmischen, ohne dass man etwas schmeckt. Außerdem haben die Mitarbeitenden von Herbstreith & Fox dafür gesorgt, dass die Emulsionen stabil und damit lagerfähig bleiben. Durch diese speziellen Emulsionen lassen sich Öle, die man sonst wegen ihres Geschmacks meiden würde, in beliebigen Lebensmitteln verarbeiten.

Was haben Sie mit diesen angereicherten Lebensmitteln gemacht?

Zuerst wollten wir herausfinden, ob der menschliche Körper die pflanzlichen und kurzkettigen Omega-3-Fettsäuren aus unseren angereicherten Produkten in langkettige Fettsäuren umbauen kann. Denn die langkettigen Fettsäuren schützen unseren Körper. Wir haben Freiwillige ausgewählt, die leicht erhöhte Blutfettwerte hatten. Sie bekamen drei Monate lang täglich unsere Lebensmittel zu essen, die mit genau abgemessenen Mengen an Leinöl oder Echiumöl oder Mikroalgenpulver angereichert waren. Vor und nach dieser Zeit haben wir alle wichtigen Blutfettwerte gemessen. Dazu gab es natürlich eine Kontrollgruppe zum Vergleich.

Die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren dienen als Vorstufen für Botenstoffe und Gewebshormone. Während die Omega-3-Fettsäuren eher zur Produktion entzündungshemmender Fetthormone beitragen, dienen die Omega-6-Fettsäuren oft als Vorstufen für die körpereigene Synthese von entzündungsfördernden Fetthormonen. Um hier die richtige Balance zu halten, kommt es weniger auf die absolute Menge, sondern vielmehr auf ein optimales Verhältnis der verzehrten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren an. Es sollte etwa 1:5 betragen. 

Was haben die Omega-3-Lebensmittel bewirkt?

Der tägliche Verzehr der mit Leinöl oder Echiumöl angereicherten Lebensmittel führte zu einem deutlichen Anstieg der langkettigen Omega-3-Fettsäuren im Blut. Damit zeigen die Ergebnisse, dass diese beiden Pflanzenöle eine Alternative zur Aufnahme von Fisch oder Fischölen darstellen. Außerdem verbesserten die mit Sonnenblumen‑, Lein- und Mikroalgenöl angereicherten Lebensmittel die Blutfettwerte. In einer zweiten Studie haben wir dann die Wirkung von Omega-3-Fettsäuren auf rheumatische Erkrankungen untersucht. Rheuma ist eine klassische Entzündungserkrankung; bei Rheumatikern kann man am besten messen, inwieweit eine veränderte Zusammensetzung der Nahrung wichtige Entzündungsparameter im Blut beeinflusst und wirklich auch zu Veränderungen in der Lebensqualität führt. Und die Menschen, die an Rheuma leiden, haben oft auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Damit haben wir ein Modell sowohl für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, als auch für Entzündungen. Das wichtigste Ergebnis dieser Studie war: Die Studienteilnehmenden haben sich nach der Zeit, in der sie mit Omega-3-Fettsäuren angereicherte Lebensmittel verzehrt haben, wirklich besser gefühlt. Die Gelenke waren weniger steif und die messbaren Anzeichen einer Entzündung haben abgenommen.

Was raten Sie Menschen, die an Rheuma leiden?

Jeden Morgen einen Löffel Leinöl zum Frühstück. Oder Leinsamen in den Joghurt, aber er muss gequetscht sein oder die Körner müssen aufgebrochen sein, sonst bringt es nichts. Eine Molkerei hat mit unserer Unterstützung einen Joghurt auf den Markt gebracht, der mit Omega-3-Fettsäuren angereichert ist, den Omeghurt. Wer an Rheuma leidet, sollte möglichst langkettige Omega-3-Fettsäuren zu sich nehmen, und zwar aus drei Gründen: Sie vermindern das Entzündungsgeschehen; denn aus den Omega-3-Fettsäuren können die entzündungshemmenden Fetthormone gebildet werden. Zudem erweitern sie die Blutgefäße und verringern damit das Thromboserisiko. Und sie senken die Blutfettwerte. All dies wirkt sich positiv auf die Lebensqualität von Rheumatikern aus.

Was empfehlen Sie Gesunden?

Auch sie sollten darauf achten, welche Fette und Öle sie zu sich nehmen. Es ist nicht damit getan, möglichst viele ungesättigte Fettsäuren zu essen – es könnten leicht die falschen sein. Wer nur Sonnenblumen- oder Distelöl verwendet, nimmt zu viele Omega-6-Fettsäuren auf. Das kann auf Dauer sogar Entzündungen fördern. Leinöl, Rapsöl, aber auch Olivenöl sind allemal gesünder, wirken entzündungshemmend und mindern deshalb das Risiko für Arteriosklerose und weitere Erkrankungen.