Es gibt Tausende von ihnen, und doch werden sie als selten bezeichnet: Krankheiten, an denen jeweils nur wenige Menschen erkranken. In ihrer Gesamtheit treten Seltene Erkrankungen so häufig auf wie manche Volkskrankheiten – das macht ihre Erforschung so wichtig.
Es klingt paradox: An den sogenannten Seltenen Erkrankungen leiden jeweils nur wenige Menschen in einem Land – laut der in Europa gültigen Definition sind es nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen. Zusammengenommen aber sind Seltene Erkrankungen kein seltenes Phänomen: Es gibt über 6.000 dieser Erkrankungen, allein in Deutschland sind mehrere Millionen Patientinnen und Patienten betroffen. Über Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten der Seltenen Erkrankungen ist oft nur wenig bekannt. Häufig sind es sehr schwere oder erblich bedingte Krankheiten, die eine aufwändige Behandlung und Betreuung erfordern.
Kompetenzen und Kapazitäten bündeln
Je weniger Menschen an einer Krankheit leiden, desto geringer ist auch das Wissen über deren Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten. Einer einzelnen Seltenen Erkrankung widmen sich häufig nur wenige Forschende. Für wissenschaftliche Untersuchungen sind die Patientenzahlen eigentlich viel zu gering; umfangreiche Datenbanken, wie sie für viele häufige Erkrankungen vorliegen, gibt es kaum. Viele Seltene Erkrankungen betreffen zudem mehrere Organe gleichzeitig, sind schwer zu erkennen oder werden mit anderen Krankheitsbildern verwechselt. Einzelne Arbeitsgruppen können das mit einer Seltenen Erkrankung verbundene komplexe und immense Forschungspensum kaum bewältigen.
Um Seltene Erkrankungen effektiv erforschen und bekämpfen zu können, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung daher interdisziplinäre Forschungsverbünde, die sich jeweils auf eine Krankheitsgruppe konzentrieren:
Seltene Erkrankungen gelten aufgrund der geringen Zahl der Betroffenen, die unter einem der zahlreichen Krankheitsbilder leiden, als beispielhaft für die Herausforderungen einer individualisierten Medizin. Mit dem Förderschwerpunkt sollen die bestehenden Kompetenzen in der anwendungsorientierten Grundlagenforschung, der klinischen Forschung und der Versorgungsforschung für Seltene Erkrankungen national gebündelt werden.
Das Gebiet der Seltenen Erkrankungen ist überdies eines der Forschungsfelder, die von einer koordinierten internationalen Zusammenarbeit besonders profitieren können. An der ERA-Net Initiative „E-Rare“, in der 17 Forschungsförderer aus 13 EU- und EU-assoziierten Staaten mitwirken, beteiligt sich das BMBF bereits seit 2006. Seit Januar 2019 wird diese Zusammenarbeit innerhalb des European Joint Programmes on Rare Diseases (EJP RD) fortgesetzt und ausgebaut.
Galten Seltene Erkrankungen lange Zeit als „Waisenkinder der Medizin“ (die englische Bezeichnung lautet „orphan diseases“), hat sich dies inzwischen geändert. Aus punktuell ausgerichteten Forschungsprojekten zu Einzelerkrankungen mit nur wenigen Patientinnen und Patienten wurde eine große Gemeinschaft, die den Seltenen Erkrankungen eine Stimme verleiht. Vernetzte Selbsthilfeorganisationen und internationale Kooperationen sollen dazu beitragen, den Betroffenen künftig besser zu helfen.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Erforschung der Seltenen Erkrankungen seit 2003 mit Nachdruck: So wurden 144 Millionen Euro in nationale Forschungsverbünde investiert, die sich sowohl der Grundlagenforschung als auch der klinischen Forschung widmen. Eine aktuelle Förderrichtlinie hat bereits bestehenden Verbünden die Möglichkeit eröffnet, für weitere drei Jahre Fördergelder zu erhalten. Hier werden neun Verbünde von 2022 bis 2026 mit rund 21,5 Millionen Euro gefördert.
Research for Rare – Forschung für Seltene Erkrankungen.
Darüber hinaus beteiligt sich das BMBF an drei internationalen Forschungsinitiativen, dem ERA-Net „E-Rare“, dem European Joint Programmes on Rare Diseases (EJP RD) und dem Internationale Rare Diseases Research Consortium (IRDiRC). Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit und der ACHSE e.V., einem Zusammenschluss von mehr als 90 Selbsthilfeorganisationen, engagiert sich das BMBF im Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE).