Stechmücken sind nicht nur lästig – sie können auch Krankheitserreger übertragen. Forschende wollen Mücken nun automatisiert zählen und ein Risikomodell entwickeln, damit Gegenmaßnahmen schneller und gezielter erfolgen können.
Nicht nur invasive Stechmückenarten wie die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) können Krankheitserreger übertragen. Auch einheimische Arten wie die Gemeine Hausmücke (Culex pipiens) sind Überträger von Viren wie beispielsweise dem West-Nil-Virus und dem Usutu-Virus (siehe Infobox).
Umso wichtiger ist es, schnell Erkenntnisse über die räumliche und zeitliche Verbreitung der Tiere zu gewinnen und diese Daten mit Informationen über die temperaturabhängige Entwicklung von Viren zu kombinieren. Eine derartige Überwachung und Modellierung gehen Dr. Renke Lühken und sein Team vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin mit dem Projekt NEED an, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis zum Jahr 2025 mit rund 1,8 Millionen Euro gefördert wird.
Neue Infektionskrankheiten richten sich ein
Stechmücken sind nicht grundsätzlich mit Krankheitserregern infiziert. Erst beim Blutsaugen an einem Wirt, der Krankheitserreger in sich trägt, können die Stechmückenweibchen diese Erreger aufnehmen und bei günstigen Bedingungen beim nächsten Stich weitergeben. Solche Infektionsketten sind in Deutschland noch relativ selten. Im Zuge von Globalisierung und Klimaerwärmung erhöht sich jedoch das Risiko einer Einschleppung bislang exotischer Viren, die dann auch nördlich der Alpen überleben können. Im Jahr 2018 wurde in Deutschland erstmals die Übertragung des West-Nil-Virus (WNV) auf Vögel und Pferde nachgewiesen. Die WNV-Infektion beim Menschen verläuft meist symptomlos, kann aber auch zu grippeähnlichen Symptomen und in seltenen Fällen sogar zu einer Hirnhautentzündung, Lähmungen und dem Tod führen. Das Usutu-Virus (USUV) ist ein Verwandter des West-Nil-Virus (WNV). Bei Vögeln verläuft die Infektion oft tödlich, weshalb das Virus auch als Auslöser des „Amselsterbens“ bekannt wurde.
Risiken schneller erkennen und gezielt bekämpfen
Die Forschenden gehen bei diesem Projekt in drei Schritten vor: „Bislang werden die Insekten klassischerweise im Sommer gefangen und in der Wintersaison gezählt und bestimmt – zu spät, wenn man einem Krankheitsausbruch vorbeugen will“, sagt Lühken. Er und sein Team wollen das Problem mit dem Einsatz von automatisierten Stechmückenfallen lösen, die alle einfliegenden Stechmücken direkt zählen und im 15-Minuten-Takt auf einen Server hochladen. Doch wie exakt zählen die automatischen Mückenfallen? Um das herauszufinden, werden diese Fallen deutschlandweit an 40 typischen Lebensräumen getestet. Dabei werden einfliegende Stechmücken einerseits automatisch gezählt, die Tiere aber auch wie bisher gefangen und die Fänge im Winter ausgewertet, sodass ein Vergleich der beiden Ergebnisse möglich ist.
Ermöglichen die automatisierten Fallen tatsächlich wie gewünscht eine kurzfristige Stechmückenüberwachung quasi vom Schreibtisch aus, ist der nächste Schritt eine Kombination der Werte mit lokal erhobenen und deutschlandweit verfügbaren Temperaturdaten, die eine Vermehrung der Viren begünstigen. Hohe Stechmückendichten müssen nicht zwangsläufig das Risiko einer Virusinfektion erhöhen. Diese Krankheitserreger entwickeln sich in der Regel nur bei hohen Temperaturen. „Wir wollen die Stechmückendaten mit Umweltparametern kombinieren und zu Risikokarten visualisieren, die online verfügbar sind“, fasst Lühken zusammen.
Eine derartige Anwendung könnte beispielsweise Gesundheitsämter bei ihrer Arbeit unterstützen, denn im dritten Schritt wollen die Hamburger Forschenden ein Entscheidungstool entwickeln, das eine Kosten-Nutzen-Abwägung von Gegenmaßnahmen wie beispielsweise einer Stechmückenbekämpfung ermöglicht. Auch eine Informationskampagne für Bürgerinnen und Bürger kann Lühken sich vorstellen, denn häufig wissen die Anwohnerinnen und Anwohner einer bestimmten Region gar nicht, wie stark die Gemeine Hausmücke bei ihnen verbreitet ist. „Dies liegt in der Natur nachtaktiven Lebensweise der Culex-Mücken. Die Menschen werden in der Regel im Schlaf gestochen, tagsüber verbergen sich die Tiere an ihren Rastplätzen“, so Lühken. Einfache Maßnahmen wie das Abdecken von Regentonnen, die als Brutplätze dienen und das Anbringen von Insektengittern an den Fenstern können hier Abhilfe schaffen.
Über die Fördermaßnahme Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Projekt „NEED - Fast-Echtzeit Entscheidungshilfe für die Bekämpfungsmethode von durch Stechmücken übertragene Viren“ von 2020 bis 2025 mit rund 1,8 Millionen Euro. Ziel dieser Fördermaßnahme ist es, die Karriere qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in der klinischen und anwendungsorientierten Infektionsforschung gezielt zu fördern und die wissenschaftliche Basis in der Infektionsforschung in Deutschland zu stärken.