Wie wandern Bakterien durchs Krankenhaus? Sind für Frühgeborene gefährliche Erreger darunter oder solche, gegen die Antibiotika nicht wirken? Freiburger Forschende wollen mit einem neuen Verfahren Übertragungsketten schnell und präzise identifizieren.
Genauigkeit und Schnelligkeit sind die beiden entscheidenden Faktoren für eine erfolgreiche Bekämpfung von bakteriellen Keimen in Krankenhäusern. Die Biologin Dr. Sandra Reuter erforscht am Universitätsklinikum Freiburg im Projekt „TAPIR – Aufspüren des Erwerbs von pathogenen Keimen in Echtzeit“, inwiefern ein neues Verfahren der Genomsequenzierung hier erfolgreich unterstützen kann und wird dafür vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 2,3 Millionen Euro gefördert. „Wenn wir die Übertragungsketten gefährlicher Erreger schneller finden und besser verstehen, können wir sie auch gezielt bekämpfen“, sagt Reuter. Dabei setzen sie und ihr Team auf ein neues Verfahren zur Analyse des Erbguts von Krankheitserregern.
Nanopore-Technologie
Bei einer DNA-Sequenzierung wird die Reihenfolge der Basen im Erbgut bestimmt und so die Erbinformation von Organismen entschlüsselt. Das im Projekt eingesetzte Verfahren der Nanopore-Technologie ist eine neue Methode zur DNA-Sequenzierung. Gemessen wird hier die Spannungsveränderung beim Transport der DNA über eine Membran durch eine winzige Pore. Die Veränderung dieser Spannung ist spezifisch für jede der vier DNA-Basen, wodurch ihre Abfolge innerhalb der DNA erkennbar wird. Mittels Nanopore-Sequenzierung kann das gesamte Genom eines Mikroorganismus in größeren Abschnitten als bei den bisherigen Verfahren analysiert werden.
Fokus auf zwei besonders gefährdete Patientengruppen
Ein Schwerpunkt des Projekts ist die neonatologische Intensivstation, auf der Frühchen versorgt werden. Hier kommt es vor allem auf Geschwindigkeit an, denn das Immunsystem der Frühgeborenen ist noch unvollständig ausgebildet, was sie sehr anfällig auch für Bakterien macht, die für Erwachsene harmlos sein können. „Das neue Verfahren ermöglicht es uns, wesentlich schneller mögliche Erreger zu identifizieren. So gewinnt die Krankenhaushygiene wertvolle Zeit, um mögliche Übertragungswege ausfindig zu machen und Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten“, erläutert Reuter.
Als zweite Gruppe nimmt Reuters Forschungsteam Menschen in den Blick, die innerhalb des Krankenhauses oder aus anderen Einrichtungen verlegt wurden. Ein Fragebogen zur Risikoanalyse hilft dabei, diejenigen Patientinnen und Patienten herauszufiltern, die oft und länger an verschiedenen Orten stationär aufgenommen wurden und deshalb möglicherweise antibiotikaresistente Bakterien verbreiten könnten. „Gleichzeitig hoffe ich, dass ich dadurch auch die Patienten ausfindig machen kann, die besonders anfällig dafür sind, multiresistente Erreger zu erwerben. Dann könnte man im nächsten Schritt diese Patienten gezielt bei der Aufnahme oder Entlassung untersuchen und betreuen“, erklärt die Forscherin.
Risiken schneller erkennen und gezielt bekämpfen
Auch heute werden bereits verschiedene Typisierungsverfahren genutzt, um gefährliche Krankheitserreger zu entdecken. Die genetischen Unterschiede zwischen harmlosen und Hoch-Risiko-Klonen des gleichen Bakterienstammes können jedoch sehr gering sein. Da die bisher genutzten Verfahren häufig nur wenige Gene sequenzieren, ist eine exakte Identifizierung kleiner, aber womöglich entscheidender Abweichungen mit den gängigen Verfahren schwierig. Bislang wird die Sequenzierung zudem nach einer Aufzucht der Bakterien gemacht, damit nicht kurze Abschnitte aus menschlichem Genom oder anderen Mikroorganismen die Probe verfälschen. Die dafür notwendige Aufreinigung der Proben bindet jedoch wertvolle Zeit und Ressourcen.
Das Nanoporen-Verfahren ermöglicht es, über einen Algorithmus eine schnelle Zuordnung zu zirkulierenden Krankheitserregern vorzunehmen. Dabei kann die Sequenzierung auch direkt aus dem Abstrich einer Patientin oder eines Patienten erfolgen. „Wenn wir dann sehen, dass der gleiche Hochrisiko-Klon bei mehreren Betroffenen vorkommt, wissen wir, dass es zu Übertragungen gekommen sein muss und es zu einem Ausbruch kommen kann“, so Reuter. Gegenmaßnahmen können dann schneller ergriffen und nach den Ursachen gesucht werden. „Das ist ein bisschen wie Detektivarbeit“, fasst die Forscherin zusammen.
Über die Fördermaßnahme Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung unterstützt das Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) das Projekt „TAPIR – Aufspüren des Erwerbs von pathogenen Keimen in Echtzeit“ von 2020 bis 2025 mit rund 2,3 Millionen Euro. Ziel dieser Fördermaßnahme ist es, die Karriere qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in der klinischen und anwendungsorientierten Infektionsforschung gezielt zu fördern und die wissenschaftliche Basis in der Infektionsforschung in Deutschland zu stärken.