Die Natur ist eine wertvolle Quelle für Moleküle, die zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden. Gibt es auch Naturstoffe, die gegen Grippeviren helfen? Ein BMBF-gefördertes Team von Nachwuchsforschenden begibt sich auf die Suche.
In der nasskalten Jahreszeit haben sie Hochsaison: Grippeviren vom Typ A und B, die bei gesunden Menschen in der Regel unkomplizierte fieberhafte Infekte der oberen Atemwege auslösen können. Mit einer Erkältung ist eine Influenza-Erkrankung dennoch nicht zu verwechseln, denn bei immungeschwächten Menschen kann es zu schweren Komplikationen wie etwa einer Lungenentzündung kommen oder bakteriellen Sekundärinfektionen, die im schlimmsten Fall zum Tod der Erkrankten führen.
Weil sich Grippeviren ständig verändern und Resistenzen entwickeln, sind immer wieder neue Impfstoffe und Wirkstoffe zur Behandlung von Influenza-Erkrankungen erforderlich. Ein Team von Nachwuchsforschenden am Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME) in Gießen will mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) neue antivirale Medikamente auf der Basis von natürlichen Wirkstoffen entwickeln. Das von Dr. Kornelia Hardes geleitete Forschungsprojekt trägt den Namen „ASCRIBE“ und wird bis 2025 mit rund 3,2 Millionen Euro gefördert.
Influenza
Plötzlich hohes Fieber, Reizhusten, Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit und Schüttelfrost: Diese Symptome können Anzeichen einer Grippe sein, in der Fachsprache Influenza genannt. Influenza ist eine ernste und hochansteckende Erkrankung, die weit über eine Erkältung hinausgeht. Nach einer Ansteckung mit einem Grippevirus erkranken ungefähr zwei Drittel der Betroffenen und entwickeln teils heftige Krankheitssymptome. Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 1.000 Menschen an einer Influenza-Infektion. Umso wichtiger ist es, dass sich insbesondere Risikogruppen gegen Influenza impfen lassen. Das Problem: Grippeviren ändern sich häufig, so dass die Impfung mit angepassten Impfstoffen jährlich wiederholt werden muss.
Resistenzen verkleinern medizinisches Arsenal gegen Influenzaviren
„In Deutschland sind derzeit zwei Wirkstoffklassen zur Therapie der Grippe zugelassen, die sogenannten M2-Ionenkanalblocker und die Neuraminidaseinhibitoren“, erklärt Hardes. „Für beide Wirkstoffklassen aber sind bereits zahlreiche Resistenzen beschrieben, d. h. sie können Grippeviren nicht mehr wirksam bekämpfen.“
Über umfangreiche Screenings will das Team in Gießen deshalb neuartige Wirkstoffe identifizieren. Das Besondere: Es werden ausschließlich Stoffe untersucht, die in der Natur vorkommen. Dabei greifen die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler auf die umfangreiche Sammlung an Bioressourcen des IME zurück „Wir analysieren antimikrobielle Peptide, Toxine und mikrobielle Extrakte – zum Beispiel Gifte von Skorpionen und verschiedene Substanzen von Amphibien, Insekten, Spinnen oder Pilzen – und prüfen ihre Wirksamkeit gegen unterschiedliche Subtypen von Influenzaerregern“, so Hardes. Das Team arbeitet sowohl mit Primärkulturen von Stammzellen aus der Lunge als auch mit immortalisierten Zelllinien, die sich dank molekularer Manipulation nahezu beliebig oft teilen lassen. Zusätzlich soll das Resistenzprofil der gefundenen Wirkstoffe und ihre Effizienz in der Kombination mit bereits etablierten Arzneistoffen zur Behandlung der Grippe untersucht werden – zunächst in Zellkulturmodellen, bei besonders vielversprechenden Verbindungen aber auch in einem Infektionsmodell in Mäusen.
Das Projekt wird in enger Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Eva Friebertshäuser am Institut für Virologie der Philipps-Universität Marburg sowie mit dem Team um Professor Dr. Torsten Steinmetzer am Institut für Pharmazeutische Chemie der Philipps-Universität Marburg durchgeführt.
Über die Richtlinie zur Förderung von Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung unterstützt das Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) das Projekt „ASCRIBE“ mit rund 3,2 Millionen Euro. Ziel dieser Fördermaßnahme ist es, die Karriere qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in der klinischen und anwendungsorientierten Infektionsforschung gezielt zu fördern und die wissenschaftliche Basis in der Infektionsforschung in Deutschland zu stärken.