Fast 50 Millionen Menschen weltweit sind blind und dadurch stark in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Deshalb ist es von hoher gesellschaftlicher Relevanz zu erforschen, wie diese Menschen zumindest einen Teil ihrer visuellen Fähigkeiten wiedererlangen können. Sogenannte Sehprothesen nutzen Kameras und Elektronik zur Verarbeitung von Bildern der Umgebung und aktivieren direkt das Sehsystem im Gehirn. Die meisten Sehprothesen stimulieren dabei die Regionen des Gehirns, die die visuellen Signale als erstes verarbeiten – die Netzhaut und der primäre visuelle Kortex. Deswegen können mit diesen Anwendungen meist nur die Sehbehinderungen, die auf Fehlfunktionen der Netzhaut zurückzuführen sind, verbessert werden.
Im Verbund I-See soll die Stimulation von höheren, an der Verarbeitung von visuellen Signalen beteiligten Hirnregionen erforscht werden. Dadurch soll eine bessere Wiederherstellung der visuellen Wahrnehmungen erzielt werden. Als Voraussetzung dafür muss die Nervenzellaktivität in dieser Hirnregion zuerst genau untersucht und verstanden werden. Dazu sollen Daten in verschiedenen Tiermodellen und im Menschen experimentell erhoben und dann computergestützt modelliert werden.
Der Verbund I-See ist Teil des transnationalen ERA-NET NEURON und umfasst eine Forschungsgruppe aus Kanada und jeweils zwei Gruppen aus der Schweiz und Deutschland. An der Ruhr-Universität Bochum soll die Nervenzellaktivität in den beteiligten Hirnarealen im Mausmodell gemessen und untersucht werden. Die Universität Bremen modelliert und analysiert die experimentell erhobenen Daten des Verbundes, um die Kodierung von visuellen Signalen im Gehirn genauer zu verstehen und so eine passgenaue Stimulation zu entwickeln.
Die Ergebnisse des Projektes können helfen, eine verbesserte Sehprothese zu entwickeln, die weitaus mehr blinden Menschen ein Wiedererlangen der Sehfähigkeit ermöglichen könnte, als herkömmliche Sehprothesen.