Verbund

@myTabu – Online-Intervention für entlassene Kindesmissbrauchstäter während der Bewährungs- oder Führungsaufsicht

Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend haben dramatische Folgen für die Betroffenen, unter denen sie meist ein Leben lang leiden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert Forschungsverbünde, die evidenz­basierte Konzepte zur Prävention, Erkennung und Therapie zu entwickeln und in der Praxis erproben.

In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Programmen, um Kindesmissbrauch vorzubeugen. Professionelle Interventionen für Täter, die aus ihrer Haft entlassen wurden, gibt es jedoch nur wenige. Insbesondere in ländlichen Regionen werden diese häufig gar nicht angeboten. Dies ist alarmierend - insbesondere, da die Rückfallquote in der ersten Zeit nach der Haft besonders hoch ist. Online-gestützte Interventionen könnten diese Versorgungslücke schließen.

Das Verbundprojekt "@myTabu" hat daher zum Ziel, eine therapeutengestützte Online-Intervention für entlassene Täter zu entwickeln und deren Wirksamkeit zu prüfen. Diese kommt zusätzlich zu den regulären Maßnahmen der Bewährungshilfe und Führungsaufsicht zum Einsatz. Entlassene Täter aus Niedersachsen und Baden-Württemberg können hierzu an einer randomisierten Wirksamkeitsstudie teilnehmen. Im Verbundprojekt wird der ökonomische Nutzen der Intervention evaluiert, und es werden juristische und ethische Richtlinien für eine mögliche Routine-Anwendung der Maßnahme entwickelt. Darüber hinaus erstellen die Forschenden ein online-basiertes Risikoerfassungssystem.

Im Projekt soll somit eine wissenschaftlich geprüfte Online-Intervention konzipiert werden, um  Menschen, die wegen Kindesmissbrauch für schuldig befunden wurden und eine Haftstrafe verbüßt haben, erfolgreicher in die Gesellschaft wieder einzugliedern und Kinder besser vor sexuellen Übergriffen zu schützen.

Teilprojekte

Entwicklung und Evaluation der Online-Intervention

Förderkennzeichen: 01KR1807A
Gesamte Fördersumme: 1.330.420 EUR
Förderzeitraum: 2019 - 2024
Projektleitung: Prof. Dr. Jürgen Leo Müller
Adresse: Georg-August-Universität Göttingen, Universitätsmedizin, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Rosdorfer Weg 70
37081 Göttingen

Entwicklung und Evaluation der Online-Intervention

Ziel des Verbundprojektes "@myTabu" ist, eine therapeutengestützte Online-Intervention für entlassene Kindesmissbrauchstäter zu entwickeln und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen. Zudem wird der ökonomische Vorteil der Intervention gegenüber traditionellen Vorgehensweisen evaluiert. Während der Projektlaufzeit werden alle entlassenen Kindesmissbrauchstäter aus Niedersachsen und Baden-Württemberg in eine placebo-kontrollierte randomisierte Wirksamkeitsstudie eingeschlossen. Dadurch liegt am Ende des Projektes eine kosteneffiziente, wissenschaftlich geprüfte Online-Intervention vor, die bereits in zwei Bundesländern in die Bewährungshilfe und Führungsaufsicht integriert ist. Juristische und ethische Richtlinien werden für Routine-Anwendung entwickelt, ebenso wie ein online-basiertes Risikoerfassungssystem. Im Vorhaben der Universität Göttingen wird die Online-Intervention konzipiert und evaluiert. Das Projekt unterstützt so die erfolgreiche Wiedereingliederung von Kindesmissbrauchstätern in die Gesellschaft und erhöht den Schutz von Kindern vor sexuellen Übergriffen.

Abgeschlossen

Entwicklung von drei Selbstbeschreibungsinstrumenten zur Erfassung des Rückfallrisikos bei Sexualstraftätern

Förderkennzeichen: 01KR1807B
Gesamte Fördersumme: 151.349 EUR
Förderzeitraum: 2019 - 2021
Projektleitung: Dr. Sonja Etzler
Adresse: Kriminologische Zentralstelle e.V.
Viktoriastr. 35
65189 Wiesbaden

Entwicklung von drei Selbstbeschreibungsinstrumenten zur Erfassung des Rückfallrisikos bei Sexualstraftätern

Online-gestützte Interventionen für Kindesmissbrauchstäter nach der Haftentlassung stellen eine kostengünstige Erweiterung der etablierten Behandlungen dar, um die Rückfallwahrscheinlichkeit der Kindesmissbrauchstäter zu verringern. Bevor eine solche Online-Intervention flächendeckend etabliert werden kann, muss ihre Wirksamkeit empirisch nachgewiesen worden sein. Für diesen Nachweis werden Messverfahren benötigt, die den Therapieeffekt genau erfassen können. Befragungsinstrumente, die online eingesetzt werden können haben hierbei einige Vorteile. Auffällige Verhaltensweisen werden direkt und ohne zeitliche Verzögerung erfasst. Aufgrund ihrer einfachen Anwendung können solche Befragungen sehr häufig und mit wenig Kosten durchgeführt werden, was eine lückenlose Verlaufsevaluation ermöglicht. Studien konnten darüber hinaus zeigen, dass Straftäter online sehr offen von bis dato unerkannten devianten Verhaltensweisen berichten. Ziel dieser Studie ist deshalb, drei Messinstrumente zu entwickeln, die das Rückfallrisiko von Sexualstraftätern messen sowie die positiven Veränderungen durch die Online-Intervention. Diese Instrumente sollen zum einen für die Überprüfung der Wirksamkeit der Online-Intervention eingesetzt werden. Zum anderen stellen dies die ersten Instrumente dieser Art dar, die eine ökonomische Messung der Rückfallwahrscheinlichkeit durch Selbstbeschreibung ermöglichen. Sämtliche Maßnahmen der Bewährungs- und Führungsaufsicht bleiben darüber hinaus bestehen und werden unverändert umgesetzt.

Entwicklung der Intervention und gesundheitsökonomische Evaluation

Förderkennzeichen: 01KR1807C
Gesamte Fördersumme: 271.657 EUR
Förderzeitraum: 2019 - 2024
Projektleitung: Dr. David Daniel Ebert
Adresse: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie, Institut für Psychologie, Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie (KliPs)
Nägelsbachstr. 25 a
91052 Erlangen

Entwicklung der Intervention und gesundheitsökonomische Evaluation

Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung, Pilotierung und Evaluation von Faktoren zur Benutzerfreundlichkeit und Verwendbarkeit einer Online-Intervention für entlassene Kindesmissbrauchstäter während der Bewährungs- und Führungsaufsicht. In der Interventionsentwicklung werden bereits vorhandene Behandlungsprogramme für Kindesmissbrauchstäter für die Onlinenutzung angepasst. Nur die Module mit einer eindeutig empirisch belegten Evidenz werden in der Online-Intervention eingesetzt. Zudem werden bereits entwickelte Online-Interventionsmodule aus anderen therapeutischen Kontexten bereitgestellt und für den spezifischen Kontext angepasst. Darüber hinaus soll in einer gesundheitsökonomischen Evaluation mittels eines analytischen Modells der ökonomische Nutzen der Online-Intervention bewertet werden. Inputdaten für das Modell werden der randomisierten, placebo-kontrollierten klinischen Studie und den experimentellen Verfahren entnommen, welche im Verbundprojekt durchgeführt werden, und darüber hinaus der vorhandenen Literatur.

Rechtliche und ethische Betreuung

Förderkennzeichen: 01KR1807D
Gesamte Fördersumme: 153.921 EUR
Förderzeitraum: 2019 - 2024
Projektleitung: Prof. Dr. Anja Schiemann
Adresse: Deutsche Hochschule der Polizei, Department III, Kriminal- und Rechtswissenschaften, Fachgebiet III.5, Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminalpolitik
Zum Roten Berge 18-24
48165 Münster

Rechtliche und ethische Betreuung

Ziel des Gesamtprojektes ist es, eine therapeutengestützte Online-Intervention für entlassene Kindesmissbrauchstäter zu entwickeln und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen. Primäres Ziel des Teilprojektes ist es daher, die Entwicklung der technischen Umsetzung der Online-Intervention sowie die sich anschließende Studie rechtlich so zu begleiten, dass datenschutzrechtliche, zivilrechtliche und strafrechtliche Normen sowie ethische Grundsätze eingehalten werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen einer Online-Intervention sind weitgehend unerforscht und bedürfen einer juristischen Grundlegung. Zudem ist die technische Umsetzung der Online-Intervention rechtlich zu begleiten, um haftungsrechtliche sowie Strafbarkeitsrisiken und Verstöße gegen das geltende Datenschutzrecht auszuschließen. Dazu sollen Handlungsleitlinien für den Datenschutz sowie Ethikrichtlinien und Handlungsrichtlinien für die Online-Coaches entwickelt werden. Die Online-Therapie ist während des gesamten Verlaufs rechtlich zu begleiten und stets auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen.

Entwicklung der Online-Intervention und Supervision der Therapeuten

Förderkennzeichen: 01KR1807E
Gesamte Fördersumme: 176.444 EUR
Förderzeitraum: 2019 - 2024
Projektleitung: Prof. Dr. Peer Briken
Adresse: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie
Martinistr. 52
20251 Hamburg

Entwicklung der Online-Intervention und Supervision der Therapeuten

Kindesmissbrauch ist eines der belastendensten Ereignisse für Kinder während ihrer Entwicklung. Behandlungsprogramme für Kindesmissbrauchstäter können die Wahrscheinlichkeit eines erneuten sexuellen Übergriffes deutlich reduzieren. Mittlerweile sind eine Vielzahl von Behandlungsprogrammen zur Prävention von Kindesmissbrauch (Primärprävention) in Deutschland verfügbar, professionelle Interventionen für Kindesmissbrauchstäter nach ihrer Haftentlassung stellen jedoch eine Versorgungslücke in Deutschland dar. Angesichts der Tatsache, dass die meisten Rückfälle nach der Haftentlassung stattfinden, ist dies alarmierend. Die Kosten für die Bewährungshilfe und Führungsaufsicht sind bei professioneller Durchführung sehr hoch. Online-gestützte Interventionen können hier die Versorgungslücke kosteneffizient schließen und stellen eine effektive Alternative - insbesondere für ländliche Regionen - dar. Daher ist es Ziel des Projektes, eine therapeutengestützte Online-Intervention für entlassene Kindesmissbrauchstäter zu entwickeln und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen. Im Vorhaben werden in Zusammenarbeit mit den Verbundpartnern Module der Online-Intervention entwickelt. Darüber hinaus übernimmt das UKE die Supervision der Online-Coaches.